Die Bundesregierung hat am 26. Juni 2024 den Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schiedsverfahrensrechts beschlossen. Trotz des Bruchs der Ampelkoalition Anfang November 2024 besteht wohl weitgehend Einigkeit darüber, dass das Schiedsverfahrensrecht noch in dieser Legislaturperiode vor den anstehenden Neuwahlen am 23. Februar 2025 geändert werden sollte. Ziel des Gesetzesvorhabens ist es, das deutsche Schiedsverfahrensrecht an die gewandelten Bedürfnisse des Wirtschaftsverkehrs anzupassen und die Attraktivität Deutschlands als Schiedsstandort zu stärken. Zu diesem Zweck sieht der Gesetzentwurf punktuelle Änderungen des Schiedsverfahrensrechts vor, die eine Reihe von Entwicklungen im Bereich der Schiedsgerichtsbarkeit auf europäischer Ebene sowie Überarbeitungen der Schiedsordnungen der wichtigsten Schiedsinstitutionen berücksichtigen.
Die wesentlichen Änderungen des Regierungsentwurfs im Überblick:
Formfreie Schiedsvereinbarungen
Während Schiedsvereinbarungen bisher bestimmten Formerfordernissen genügen mussten, können künftig Schiedsvereinbarungen zwischen Unternehmen wieder formfrei geschlossen werden. Bedeutsam ist diese Möglichkeit insbesondere bei globalen Lieferketten und komplexen Rahmenverträgen, unter denen Einzelverträge mit verschiedenen Unternehmen geschlossen werden. Häufig sind diese Unternehmen bei Abschluss der (Rahmen-)Verträge und Schiedsvereinbarungen noch nicht bekannt und oftmals enthalten nicht alle (Einzel-)Verträge eine Schiedsklausel. Sind Verbraucher beteiligt, soll dagegen das etablierte hohe Schutzniveau beibehalten werden und das seit 1998 geltende Formerfordernis einer separaten schriftlichen Schiedsvereinbarung bestehen bleiben.
Digitalisierung: Durchführung von Videoverhandlungen und Erlass von Entscheidungen in elektronischer Form
Angesichts der zahlreichen positiven Erfahrungen der schiedsrechtlichen Praxis mit mündlichen Verhandlungen per Videoverhandlung sieht der Regierungsentwurf eine dispositive gesetzliche Regelung für die entsprechende Durchführung mündlicher Verhandlungen vor. Damit soll nicht nur ausdrücklich die Statthaftigkeit dieser bereits gängigen Verfahrensweise klargestellt und die Verfahrenseffizienz gefördert, sondern auch die Attraktivität des Schiedsorts Deutschland für internationale Verfahren erhöht werden, bei denen die Beteiligten nicht selten über mehrere Kontinente verteilt sind.
Einen weiteren Beitrag zur Digitalisierung sieht der Entwurf dergestalt vor, dass Schiedsgerichte ihre Schiedssprüche künftig auch elektronisch erlassen können, sofern keine Partei widerspricht.
Anpassung an internationale Herausforderungen
Obwohl die meisten Schiedsverfahren in englischer Sprache geführt werden, mussten die Parteien bislang ein sich anschließendes Aufhebungs- oder Vollstreckbarerklärungsverfahren vor staatlichen Gerichten auf Deutsch führen.
Mit der Reform des Schiedsverfahrensrechts sollen die Parteien nun die Möglichkeit haben, in den Aufhebungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren englischsprachige Schriftstücke vorzulegen. Auf diese Weise sollen staatliche Verfahren effizienter geführt werden können und den Parteien die Kosten für umfangreiche Übersetzungen erspart werden.
Vor den sog. Commercial Courts sollen die Parteien diese Verfahren sogar vollständig in englischer Sprache führen können. Bei den Commercial Courts handelt es sich um spezielle Wirtschaftssenate mit besonderer Expertise für komplexe Wirtschaftsstreitigkeiten bei den Oberlandesgerichten, deren Einrichtung der Deutsche Bundestag erst kürzlich beschlossen hat. Hat das Bundesland des Gerichtsorts einen Commercial Court eingerichtet und diesem Spruchkörper bestimmte Verfahren, wie z.B. Aufhebungs- oder Vollstreckbarerklärungsverfahren, zugewiesen, sollen diese bei Einvernehmen der Parteien vor den Commercial Courts geführt werden können. Die englischen Beschlüsse der Commercial Courts sollen dann zusammen mit einer deutschen Übersetzung veröffentlicht werden, wobei entsprechend der bisherigen Rechtslage persönliche Angaben und Umstände in der Regel anonymisiert werden. Für sich gegebenenfalls daran anschließende Rechtsbeschwerdeverfahren vor dem Bundesgerichtshof soll ebenfalls die Möglichkeit geschaffen werden, dieses vollständig in englischer Sprache zu führen.
Erleichterte Veröffentlichung von Schiedssprüchen
Sind die Parteien mit der Veröffentlichung einverstanden, können Schiedsgerichte in Zukunft ihre Schiedssprüche ganz oder in Teilen in anonymisierter oder pseudonymisierter Form veröffentlichen. Widersprechen die Parteien der Veröffentlichung nicht, soll die Zustimmung als erteilt gelten. Auf diese Weise soll die Rechtsfortbildung gefördert und Entscheidungen in der Handelsschiedsgerichtsbarkeit transparenter gemacht werden.
Ausblick
Insbesondere die vorgesehenen Anpassungen des Schiedsverfahrensrechts an die fortschreitende Digitalisierung des Verfahrensrechts und die Schaffung weiterer Möglichkeiten zur Verfahrensführung in englischer Sprache sind entscheidende Faktoren für ein international wettbewerbsfähiges Schiedsverfahrensrecht.
Aufgrund des Koalitionsbruchs Anfang November 2024 ist derzeit unklar, ob der Gesetzentwurf der Bundesregierung noch in dieser Legislaturperiode vom Bundestag verabschiedet wird. Vor dem Hintergrund eines weitgehenden überparteilichen Konsenses und zahlreicher Forderungen aus der Praxis, dass das deutsche Schiedsverfahrensrecht noch in dieser Legislaturperiode geändert werden sollte, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass dieses Gesetzesvorhaben auch im Hinblick auf die anstehenden Neuwahlen mit hoher Priorität weiterverfolgt wird.
Es bleibt dennoch abzuwarten, inwieweit im parlamentarischen Verfahren gegebenenfalls noch Änderungen an dem vorliegenden Gesetzentwurf vorgenommen werden oder ob dieses Vorhaben erst in der nächsten Legislaturperiode weiterverfolgt wird.