Neue Fassung des IDW S 11 verabschiedet
Beurteilung des Vorliegens der Insolvenzreife nun auch unter Berücksichtigung der neuesten Gesetzgebung und Rechtsprechung
Global | Publication | January 2022
Pünktlich zu Jahresbeginn hat das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) eine neue Fassung des IDW Standards zur Beurteilung des Vorliegens von Insolvenzeröffnungsgründen (IDW S 11) verabschiedet. Dabei werden insbesondere die mit dem SanInsFoG am 1.1.2021 in Kraft getretene Differenzierung des Prognosezeitraums bei der drohenden Zahlungsunfähigkeit gemäß § 18 InsO (in aller Regel 24 Monate) und der Überschuldung gemäß § 19 InsO (12 Monate) sowie die geänderten Fristen für die Insolvenzantragspflicht berücksichtigt. Die Veröffentlichung der neuen Fassung des IDW S 11 ist diese Woche in dem Heft 1/2022 der IDW Life erfolgt.
Mit seinen Verlautbarungen legt das IDW die Berufsauffassung der Wirtschaftsprüfer zu Rechnungslegungs- und Prüfungsfragen und damit die Grundsätze ordnungsmäßiger Abschlussprüfung fest, an die Wirtschaftsprüfer faktisch gebunden sind.
Die wichtigsten Punkte:
1. Berücksichtigung der Differenzierung des Prognosezeitraums bei der drohenden Zahlungsunfähigkeit gemäß § 18 InsO (in aller Regel 24 Monate) und der Überschuldung gemäß § 19 InsO (12 Monate)
Der Prognosezeitraum für die Fortbestehensprognose, die für die Einschätzung der Überschuldung gemäß § 19 InsO maßgeblich ist, umfasst gemäß § 19 Abs. 2 S. 1 InsO ab dem Beurteilungsstichtag zwölf Monate. Eine erst nach diesem Prognosezeitraum eintretende Liquiditätslücke begründet zum Beurteilungsstichtag keine Überschuldung. Tritt die Liquiditätslücke nach zwölf Monaten und innerhalb der nächsten (in der Regel) 24 Monaten ein, liegt eine drohende Zahlungsunfähigkeit gemäß § 18 Abs. 2 Satz 2 InsO und damit nur ein Insolvenzantragsrecht und keine Insolvenzantragspflicht vor. Für die Prüfung des Insolvenzgrundes der Überschuldung nach § 19 Abs. 2 S. 1 InsO und der drohenden Zahlungsunfähigkeit nach § 18 Abs. 2 InsO sind folglich nur noch inhaltlich dieselben Anforderungen zu stellen. Vor der Einführung des SanInsFoG und nach dem IDW S 11 a.F. war darüber hinaus derselbe Prognosezeitraum zu betrachten, weswegen die Abgrenzung der beiden Insolvenzgründe mitunter schwierig war. Demnach umfasste der Prognosezeitraum für die insolvenzrechtliche Fortbestehensprognose in der Regel das laufende sowie das folgende Geschäftsjahr.
2. Berücksichtigung der geänderten Höchstfristen für die Insolvenzantragspflicht
Durch das SanInsFoG wurde der maximale Zeitraum für die Antragspflicht bei Überschuldung auf sechs Wochen erhöht, damit die in Betracht kommenden Maßnahmen sorgfältig abgewogen werden können. Bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung ist von den gesetzlichen Vertretern der insolventen Gesellschaft die Eröffnung des Insolvenzverfahren ohne schuldhaftes Zögern zu beantragen. Hierfür sieht § 15a Abs. 1 Satz 2 InsO nun folgende Fristen vor: der Antrag ist spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und spätestens sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung zu stellen. Zuvor sah § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO a.F. für die Stellung eines Insolvenzantrages sowohl bei Zahlungsunfähigkeit als auch bei Überschuldung eine Frist von spätestens drei Wochen vor.
3. Verweis auf die Zusammenhänge mit dem neu geschaffenen Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen nach StaRUG
An mehreren Stellen wird im IDW S 11 n.F. auf das StaRUG verwiesen. In § 1 Abs. 1 StaRUG wurde entsprechend der bisherigen Rechtsprechung gesetzlich verankert, dass sich die gesetzlichen Vertreter stets über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft vergewissern müssen, um Hinweise auf eine Insolvenzgefahr erkennen zu können. Zwischen der Inanspruchnahme des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens nach StaRUG und der Prüfung der Insolvenzgründe nach den Maßgaben des IDW S 11 bestehen außerdem folgende weitere Zusammenhänge: Zum einen ist die drohende Zahlungsunfähigkeit eine Zugangsvoraussetzung für die Inanspruchnahme des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens nach StaRUG, die Überschuldung darf bei Beantragung der jeweiligen Maßnahme hingegen noch nicht vorliegen. Zum anderen können sich Auswirkungen auf die Beurteilung der Fortbestehensprognose im Rahmen der Überschuldungsprüfung gemäß § 19 InsO ergeben, wenn die Gesellschaft die Umsetzung eines Restrukturierungsplans gemäß StaRUG anstrebt und durch dessen Rechtswirkungen die Zahlungsfähigkeit mit überwiegender Wahrscheinlichkeit im Prognosezeitraum erhalten bleiben kann. Aufgrund der positiven Fortbestehensprognose könnte der Insolvenzgrund der Überschuldung beseitigt werden.
4. Darstellung der Änderungen der Insolvenzantragspflicht aufgrund der Corona-Pandemie
Abschnitt 7 des IDW S 11 n.F. enthält einen Überblick über die im Zuge der Corona-Pandemie mit dem COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz (COVInsAG) mehrfach geänderte Aussetzung der Insolvenzantragspflicht. In diesem neu eingefügten Abschnitt wird dargestellt, bei welchen Insolvenzantragsgründen zu welchem Zeitpunkt welche Antragspflicht oder welches Antragsrecht bestand.
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