EU-Kommission verabschiedet Level II Entwurf für die Offenlegungsverordnung
Nachdem erst Ende März die Europäischen Aufsichtsbehörden (ESAs) ihre Aufsichtserklärung zur Offenlegungsverordnung aktualisierten und ihre Empfehlung aufrecht erhielten, ihre finalen Level II Entwürfe bereits vorläufig anzuwenden, verabschiedete nun die EU-Kommission Anfang April ihren delegierten Rechtsakt (Level II Rechtsakt).
Hierbei stellt sie sich nochmals gegen die Marktentwicklung und betont, dass die Verordnung kein Label für nachhaltige Finanzprodukte darstellt, sondern nur zur Offenlegung darüber verpflichtet, wie behauptete Nachhaltigkeit erreicht wird.
Was ist von dem delegierten Rechtsakt umfasst?
Die Offenlegungsverordnung hat sich zum Ziel gesetzt, den Schutz und die Information von Endanlegern zu verbessern, indem Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater zur Transparenz bei der Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken, Berücksichtigung nachteiliger Nachhaltigkeitsauswirkungen und Nachhaltigkeit von Finanzprodukten verpflichtet werden. Die Verpflichtungen sind für diverse Publikationsmedien vorgesehen, wie etwa die unternehmenseigene Webseite, vorvertragliche Informationen und Jahresberichte.
Die Taxonomieverordnung – eines der Kernelemente der Nachhaltigkeitsregulierung im Finanzsektor – legt Kriterien fest, nach denen bestimmt werden soll, ob eine Wirtschaftstätigkeit als ökologisch nachhaltig einzustufen ist. Sie änderte die Offenlegungsverordnung und ergänzte Offenlegungspflichten dahingehend, wie und in welchem Umfang ökologisch nachhaltige Finanzprodukte taxonomiekonforme Investitionen enthalten.
Inhalt, Methoden und Darstellungen der Informationen sollen jeweils für die Verordnungen an einigen Stellen durch Level II Rechtsakte konkretisiert werden.
Nachdem die finalen Berichte der ESAs die Offenlegungspflichten der Offenlegungsverordnung und der Taxonomieverordnung noch getrennt haben, kündigte die Kommission 2021 an, beide Level II Rechtsakte in einem „Single Rule Book“ zu veröffentlichen. Der nun veröffentlichte Rechtsakt umfasst deshalb beide Pflichtenkataloge und in den Annexen die verpflichtenden Vorlagen für
- Annex I: die Erklärung über nachteilige Nachhaltigkeitsauswirkungen (Art. 4 Offenlegungsverordnung, auch „PAI-Statement“ genannt), Art. 4 Offenlegungsverordnung
- Annex II: die vorvertraglichen Informationen von Finanzprodukten, die ökologische und/oder soziale Merkmale bewerben („Art. 8 Produkt“), Art. 8 Offenlegungsverordnung
- Annex III: die vorvertraglichen Informationen von Finanzprodukten, die eine nachhaltige Investition anstreben („Art. 9 Produkt“), Art. 9 Offenlegungsverordnung
- Annex IV: die Jahresberichte für Finanzprodukte, die ökologische und/oder soziale Merkmale bewerben, Art. 11 Offenlegungsverordnung
- Annex V: die Jahresberichte für Finanzprodukte, die eine nachhaltige Investition anstreben, Art. 11 Offenlegungsverordnung.
Auf welchen Zeitrahmen müssen sich betroffene Unternehmen einstellen?
Nach der Verabschiedung müssen das Europäische Parlament und der Rat den Rechtsakt bestätigen. Die Anforderungen sind dann ab dem 1. Januar 2023 verpflichtend umzusetzen. Bei der Offenlegung von nachteiligen Nachhaltigkeitsauswirkungen (Art. 4 Offenlegungsverordnung) bleibt aber – wie bereits zuvor durch die Kommission angekündigt – zu beachten, dass verpflichtete Finanzmarktteilnehmer ihre erste Erklärung bereits für den Referenzzeitraum vom 1. Januar 2022 bis 31. Dezember 2022 bis zum 31. Juni 2023 veröffentlichen müssen.
Was hat sich im Vergleich zum Vorentwurf geändert?
Die Kommission selbst erläutert in der Einleitung, sie habe zwar die Entwürfe der Aufsichtsbehörden einer rechtlichen Prüfung unterzogen und die Bestimmungen angepasst, um die legislative Qualität der Level II Rechtsakte sicherzustellen und Kohärenz mit der Grundverordnung zu gewährleisten. Jedoch seien keine wesentlichen Anforderungen verändert worden.
Transparenz über nachteilige Auswirkungen von Investitionsentscheidungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren, Art. 4 Offenlegungsverordnung.
Wie bereits in den Vorentwürfen umfasst die verpflichtende Vorlage für die nachteiligen Nachhaltigkeitsauswirkungen (PAI) in Tabelle 1 verpflichtende Indikatoren, jeweils aufgeteilt für Investitionen in Unternehmen (14 Indikatoren), Staaten und supranationale Organisationen (2 Indikatoren) sowie Immobilien (2 Indikatoren). Diese führen immer zu einer wesentlichen nachteiligen Auswirkung. Zusätzlich sind jeweils ein Opt-In Indikator für Umwelt- und soziale Faktoren der Tabellen 2 und 3 vorgesehen. Diese Vorgaben werden durch narrative Elemente begleitet, wie beispielsweise die Strategien zur Identifikation von nachteiligen Nachhaltigkeitsauswirkungen oder aber die Einhaltung internationaler Standards. Verpflichtungen bestehen ebenfalls für diejenigen Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater, die im Rahmen des „comply-or-explain“ Mechanismus keine inhaltliche Erklärung abgeben wollen.
Vorvertragliche Produktoffenlegungen, Art. 8 und 9 Offenlegungsverordnung
Die vorvertraglichen Offenlegungspflichten erfassen sowohl die regulären Angaben der Grundverordnung, als auch die Taxonomiekonformität des Finanzproduktes. Die Taxonomieverordnung umfasst in ihrer bisherigen Fassung lediglich ökologische Nachhaltigkeitsziele. Entsprechend sind die Offenlegungspflichten zum Umfang der taxonomiekonformen Investitionen nur für solche Produkte relevant, die auch die ökologische Nachhaltigkeit im Blick haben. Für diese sind detaillierte Kalkulationsmethoden vorgegeben, wie der Anteil an taxonomiekonformen Investitionen berechnet und graphisch dargestellt werden soll und welche Finanzinstrumente hiervon umfasst sein können. Hieraus ergibt sich eine Zweiteilung der Vorgaben im Gesetzestext, jeweils für ökologische und für soziale Zielsetzungen. Dem wird in den angehängten Vorlagen damit Rechnung getragen, dass die Finanzmarktteilnehmer selbstständig nicht zutreffende Elemente herausnehmen können.
Produktoffenlegungen auf der Website, Art. 10 Offenlegungsverordnung
Über detaillierte Angaben zum Finanzprodukt hinaus sind auch Verpflichtungen zur Offenlegung von Datenquellen und -verarbeitung sowie deren Grenzen und Due Diligence für zugrundliegende Assets vorgesehen.
Produktoffenlegungen in Jahresberichten, Art. 11 Offenlegungsverordnung
Im Allgemeinen umfassen die Produktoffenlegungen in den Jahresberichten nach wie vor die nachträgliche Aufarbeitung der zuvor gemachten Angaben nach Ablauf der Referenzperiode. Hierbei sind beispielsweise die Investitionen mit den größten Anteilen am Produkt anzugeben, wie auch die Verteilung in Sektoren und Untersektoren (auch mit Blick auf fossile Brennstoffe) und historische Vergleiche. Insbesondere sind auch hier wieder detaillierte Angaben zur Taxonomiekonformität zu beachten.
Die Vermeidung erheblicher Beeinträchtigungen bzw. „Do no significant harm“ Prinzip (DNSH)
Das „Do no significant harm“ Prinzip (DNSH) findet in der Offenlegungsverordnung immer dann Anwendung, wenn ein Anteil des Produktes eine nachhaltige Investition i.S.d. Offenlegungsverordnung darstellt. Unterschieden werden muss jedoch zwischen den Anforderungen des Prinzips im Rahmen der Offenlegungs- und im Rahmen der Taxonomieverordnung. Während es in den delegierten Rechtsakten der Taxonomieverordnung anhand von technischen Standards jeweils für das betreffende Umweltziel konkretisiert wird, umfasst es in der Offenlegungsverordnung kombinierte Merkmale aus beiden Verordnungen: Zum einen müssen die PAI-Indikatoren der genannten Tabelle 1 und alle relevanten Indikatoren der Tabellen 2 und 3 berücksichtigt werden. Aufgrund der engen Beziehung zur Taxonomieverordnung sind zum anderen Informationen zum sozialen Mindestschutz dieser Verordnung erforderlich (z.B. OECD Leitlinien für multinationale Unternehmen).
Welche Prozesse müssen jetzt angestoßen werden?
Im delegierten Rechtsakt wurden im Vergleich zu den Entwürfen der ESAs Anpassungen sowohl in Text und Struktur vorgenommen, die teilweise auch großflächige Textblöcke umfassen. Jedoch sind keine größeren regulatorischen Überraschungen enthalten, die wesentlichen Regelungskonzepte und Inhalte wurden beibehalten. Dies ermöglicht den betroffenen Unternehmen im Anwendungsbereich der Verordnung zwar ein kurzes Aufatmen, dennoch sollte die Zeit bis zur Anwendbarkeit im Januar 2023 sinnvoll zur Vorbereitung genutzt werden, um sich bei der gegebenenfalls langatmigen Umsetzung nicht dem Vorwurf des Greenwashing ausgesetzt zu sehen.