Bei aller (durchaus heftigen und berechtigten) Kritik an der am 1. Juli 2021 inkrafttretenden Gesetzänderung, wollen wir das Thema Mitarbeiterbeteiligungen bei Startups noch einmal lösungsorientiert beleuchten.
Die Ziele einer Mitarbeiterbeteiligung lassen sich auch hierzulande gut umsetzen
Gerade für schnell wachsende Technologieunternehmen ist die Beteiligung von Mitarbeitern an der Entwicklung des Unternehmenswerts ein wichtiges Instrument im Wettbewerb um internationale Talente. Entsprechende Beteiligungsprogramme zielen darauf ab, positive Anreize zur gemeinsamen Steigerung des Unternehmenswerts zu schaffen und die begünstigten Mitarbeiter an das Unternehmen zu binden.
Dabei werden die in Deutschland bestehenden Rahmenbedingungen als im internationalen Vergleich ungünstig bewertet, insbesondere weil Mitarbeiterbeteiligungen hierzulande keine weitreichenden steuerlichen Begünstigungen wie z.B. in England, den USA, Frankreich, Irland und Israel erfahren. Im Übrigen lassen sich durch entsprechende Gestaltung aber auch in Deutschland die Anforderungen eine funktionierende Mitarbeiterbeteiligung gut umsetzen.
Die Vermeidung von „Dry Income“ steht im Vordergrund
Die Idealvorstellung und internationale Best Practice für den rechtlichen und steuerlichen Rahmen Mitarbeiterbeteiligungen lässt sich mit den folgenden Hauptanforderungen zusammenfassen:
- Besteuerungszeitpunkt bei Exit: Mitarbeiter sollten erst bei entsprechendem Liquiditätszufluss (bzw. cash event) besteuert werden oder mit anderen Worten: „Kein Dry Income“! Das ist auch hierzulande möglich, hängt aber von der konkreten Ausgestaltung ab.
- Begünstigter Steuersatz: Der Wertzuwachs von Anteilen unterliegt auch in Deutschland einer günstigeren Besteuerung als Kapitalerträge (im Vergleich zur Besteuerung im Lohnsteuerabzugsverfahren bzw. als Gehaltsbestandteil); allerdings ist der gewährte Vorteil aus einer Mitarbeiterbeteiligung hierzulande regelmäßig als Gehaltsbestandteil zu versteuern.
- Klare Bewertungsregelungen: In Deutschland kann die Höhe des zu versteuernden Vorteils (d.h. die steuerliche Bemessungsgrundlage) einer gewährten Mitarbeiterbeteiligung je nach Finanzamt recht unterschiedlich ausfallen, soweit es keinen aktuellen Referenzpunkt für den Marktwert der Anteile gibt. Aber auch hier zeigen wir nachfolgend eine Lösungsmöglichkeit auf, mit der über die Bewertung der entsprechenden Beteiligung ein Dry Income Szenario vermieden werden kann.
- Verhältnismäßiger Aufwand: Der Aufwand zur Einräumung der Beteiligung sollte gering sein; insbesondere sollte in formaler Hinsicht keine notarielle Beurkundung erforderlich sein. Gleiches gilt natürlich auch für die etwaige Einziehung von noch nicht verdienten Anteilen („unvested shares“) infolge eines Leaver Events. Soweit die Mitarbeiterbeteiligung über GmbH Geschäftsanteile ausgestaltet werden soll, ist in Deutschland jedoch stets eine notarielle Beurkundung erforderlich.
- Handlungsfähigkeit: Die schnelle Handlungsfähigkeit des Startup muss stets gewahrt bleiben, d.h. es darf keine missbräuchlichen Blockade- oder Verzögerungsmöglichkeiten durch direkte Ausübung von Gesellschafterrechten durch beteiligte Mitarbeiter. Es entspricht dabei der internationalen Praxis, dass Mitarbeiter regelmäßig keine Stellung als vollwertiger Gründungsgesellschafter oder Investor erhalten, d.h. insbesondere keine unmittelbaren Mitspracherechte in der Gesellschafterversammlung oder umfangreiche Auskunfts- und Einsichtsrechte.
- Einfachheit und Transparenz: Schließlich sollte ein Beteiligungsprogramm für die begünstigten Mitarbeiter natürlich einfach, transparent und klar verständlich sein, insbesondere um als starkes Incentive und Bindungsinstrument attraktiv zu sein. Je breiter das Programm zum Einsatz kommen soll, umso einfacher bzw. verständlicher sollte es sicherlich sein; die ist bei den verschiedenen Gestaltungsalternativen sicherlich zu beachten.
Die Neuregelungen werden für die Startup-Praxis zu keinen wesentlichen Veränderungen führen
Bei der Gestaltung von Mitarbeiterbeteiligungen für Startups setzt die bisherige Praxis überwiegend auf sog. VSOPs (virtual stock option program) oder sog. PSPs (phantom stock program), bei dem der Mitarbeiter beim Verkauf des Startups oder einem IPO (d.h. einem sog. Exit) einen Bonus in einer Höhe erhält, als ob er echte Anteile (oder Optionen auf echte Anteile) am Unternehmen halten würde.
Grund für diese Gestaltung als „virtuelle“ und nicht „echte“ Beteiligung ist die zuvor genannte Dry Income Problematik, d.h. eine Besteuerung ohne Liquiditätszufluss.
Mit dem Fondsstandortgesetz wird nun in § 19a Einkommensteuergesetz eine neue „Sondervorschrift für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bei Vermögensbeteiligungen“ aufgenommen, mit der gerade echte Mitarbeiterbeteiligungen gefördert werden soll(t)en.
Doch die Neuregelung dürfte in der Startup-Praxis zu keinen wesentlichen Veränderungen führen, da gerade die Dry Income Problematik nur unzureichend gelöst wurde. Die größten Kritikpunkte im Einzelnen:
- Besteuerungszeitpunkt nach der Neuregelung: Die Besteuerung ist zwar grundsätzlich auf Zeitpunkt der (entgeltlichen oder unentgeltlichen) Übertragung der Kapitalbeteiligung durch den Mitarbeiter (z.B. bei einem Exit des Startups) aufgeschoben; sie auch spätestens nach 12 Jahren statt oder wenn das Dienstverhältnis mit dem Startup endet.
- KMU Anforderung: Die Neuregelung gilt ferner nur für Unternehmen, die nicht älter als 12 Jahre sind und die sog. KMU Kriterien der EU erfüllen. Eine Vielzahl von Mitarbeitern in älteren Unternehmen oder sehr schnell wachsenden Startups ist damit außen vor. Hier kann es insbesondere zu Schwierigkeiten kommen wenn Mitarbeiterbeteiligungsprogramme eingerichtet werden während das Startup noch die KMU-Definition erfüllt und aufgrund der erfolgreichen Arbeit aus der KMU-Definition herauswächst.
- Bewertung und Freibetrag: Im Zuge der Neuregelung wird der bisherige jährliche Steuerfreibetrag auf Vermögensbeteiligungen von 360 Euro auf 1.440 Euro erhöht. Diese Diskussion um die Freibeträge ist allerdings vernachlässigbar, solange das Grundproblem, eine rechtssichere und risikoadäquate Bewertung von Mitarbeiterbeteiligungen, nicht gelöst wird. Bei Venture Capital finanzierten Startups wird das Finanzamt regelmäßig die Bewertung der letzten Finanzierungsrunde heranziehen, obwohl diese Herangehensweise vor dem Hintergrund solcher VC Bewertungen und der unterschiedlichen Anteilsklassen für Investoren durchaus infrage gestellt werden kann.
Im Ergebnis geht daher die gesamte Gründer- und Startup-Szene davon aus, dass Startups und ihre Mitarbeiter von der Neuregelung kaum Gebrauch machen werden. Soweit Startups dennoch die Neuregelung beanspruchen, sollten sie beachten, das eine Haftung für die etwaige Lohnsteuer hiermit einhergeht; außerdem sollte ein begünstigter Mitarbeiter für den Fall eines Dry Income Szenarios ggf. die Möglichkeit bekommen, für die entstehende Steuerlast ein Darlehen mit Laufzeit bis zum Exit zu erhalten.
Es bleiben zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten für die Beteiligung von Mitarbeitern
Die Standard-Mitarbeiterbeteiligung bei Startups in Deutschland wird daher eine virtuelle Beteiligung als VSOP oder Phantom Stock Program bleiben, da diese recht einfach, standardisiert und flexibel gehandhabt werden können und insbesondere kein Dry Income Risiko besteht.
Vereinzelt wird man auch weiterhin echte ESOP-Gestaltungen (d.h. Optionen auf echte Anteile) sehen, die aber aufgrund höherer Komplexität ohne wesentliche Steuervorteile nicht so beliebt sind wie ein VSOP.
Aber auch die Beteiligung von Schlüsselmitarbeitern mittels echter Anteile kann aus verschiedenen Gründen erforderlich werden (insbesondere wenn diese später in der Scale-up Phase des Unternehmens hinzukommen) und bedarf dann teils kreativer Gestaltung. Steuerlich soll mit einer echten Beteiligung regelmäßig erreicht werden, dass der Wertzuwachs der Anteile bis zum Exit im Vergleich zu Arbeitseinkommen begünstigt besteuert werden, und zwar als Einkünfte aus Kapitalvermögen, im Teileinkünfteverfahren (bei Beteiligungen ab 1%) und/oder unter Ausnutzung des sog. Schachtelprivilegs, was gar eine nahezu steuerfreie Reininvestition von Erträgen aus Mitarbeiterbeteiligungen ermöglichen kann.
Bei einer echten Beteiligung sollten Unternehmen aber stets auch deren übrigen Vor- und Nachteile mit beachten. Insbesondere kommen folgende Gestaltungen in Betracht, um das Dry Income Risiko bei Einräumung der Beteiligung auszuschließen oder zu mitigieren und die Nachteile der unmittelbaren Mitsprache (soweit nicht gewünscht) zu adressieren:
- Echte Beteiligung mit Stundung des Kaufpreises: Die klassische Gestaltung zur Vermeidung von Dry Income im Zusammenhang mit der Übertragung von Anteilen ist der Erwerb der Anteile durch den Mitarbeiter zum Marktwert bei gleichzeitiger Stundung bzw. Darlehensgewährung in Höhe des Kaufpreises. Das Risiko der Wertentwicklung der Anteile muss dabei aber auch tatsächlich auf den Mitarbeiter übergehen; d.h. auch bei negativer Wertentwicklung der Beteiligung ist das Darlehen spätestens beim Exit durch den Mitarbeiter zurückzuzahlen.
- Indirekte Beteiligung oder stimmrechtslose Geschäftsanteile: Bei Beteiligung einer Vielzahl von Mitarbeitern ist es in jedem Fall üblich und dringend anzuraten, dass die Beteiligung über eine Mitarbeiterbeteiligungsgesellschaft erfolgt. Bei einem solchen Pooling halten die Mitarbeiter ihre Beteiligung am Startup-Unternehmen lediglich indirekt, regelmäßig über eine Personengesellschaft, da eine unmittelbare Mitsprache vieler Mitarbeiter als direkter Gesellschafter nicht praktikabel ist. Alternativ sieht man in der Praxis auch direkte Beteiligungen, wobei die entsprechenden Anteile kein Stimmrecht auf der Gesellschafterversammlung vermitteln. Die weitreichenden unmittelbaren Auskunfts- und Einsichtsrechte können durch die Gestaltung als stimmrechtslose Geschäftsanteile allerdings nicht vermieden werden.
- Stille Beteiligung: Obwohl die sog. GmbH & Still sehr viel Flexibilität und Freiheit bei der Gestaltung der Beteiligung verspricht, dürfte sie bei Startups auch weiterhin eher ein Exotendasein fristen, insbesondere im internationalen Kontext.
- Negative Liquidationspräferenz: Immer häufiger werden hingegen sog. negative Liquidationspräferenzen (NLP) vereinbart. Damit ist diese Gestaltung eine echte Alternative zur vorgenannten Beteiligung mit Stundung des Kaufpreises. Bei der Gestaltung mit einer solchen NLP werden dem begünstigten Mitarbeiter Anteile am Startup zu einem Kaufpreis deutlich unterhalb des Anteilswerts der letzten Finanzierungsrunde abgegeben. Gleichzeit sind diese Anteile mit einer Verpflichtung belastet, wonach der Mitarbeiter bei einem Exit den Differenzbetrag zwischen dem Kaufpreis und dem Anteilswert der letzten Finanzierungsrunde an die Gesellschaft oder andere Gesellschafter auszukehren hat. Auf diese Weise wird der geldwerte Vorteil durch Übernahme einer entsprechenden „Verbindlichkeit glattgestellt“.
EXKURS – Die Neuregelung § 19a EStG im Überblick
Begünstigte Unternehmen
Von der Einführung des neuen § 19a EStG sind Kleinstunternehmen sowie kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) begünstigt, deren Gründung nicht mehr als zwölf Jahre zurückliegen. Begünstigte sind daher nur Unternehmen, die weniger als 250 Personen beschäftigen und die entweder einen Jahresumsatz von höchstens 50 Mio. EUR erzielen oder deren Jahresbilanzsumme sich auf höchstens 43 Mio. EUR beläuft. Diese Schwellenwerte dürfen im Zeitpunkt der Übertragung der Vermögensbeteiligung oder im vorangegangenen Kalenderjahr nicht überschritten worden sein.
Begünstigte Form der Vermögensbeteiligung
Es werden nur Vermögensbeteiligungen an Unternehmen gefördert. Hierunter fallen Aktien, Geschäftsanteile an einer GmbH, im 5. VermBG näher definierte Wandel- und Gewinnschuldverschreibungen, Genussscheine und Genussrechte sowie stille Beteiligungen; mittelbare Vermögensbeteiligungen über Personengesellschaften werden ebenfalls gefördert.
Nicht begünstigt sind jegliche Formen von Optionsrechten oder virtuellen Beteiligungen an einem Unternehmen.
Sonstige Voraussetzungen für die vorläufige Nichtbesteuerung nach dem EStG
Die Vermögensbeteiligung muss zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt werden; Entgeltumwandlungen und andere in § 8 Absatz 4 EStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2020 genannte Sachverhalte sind nicht begünstigt.
Die vorläufige Nichtbesteuerung erfolgt auf Initiative des Arbeitgebers und mit Zustimmung des/der Mitarbeiters /Mitarbeiterin durch Freistellung im Lohnsteuerabzugsverfahren.
Eine Nachholung der vorläufigen Nichtbesteuerung im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer ist ausgeschlossen.
Aufgeschobene Versteuerung nach EStG
Der geldwerte Vorteil aus der unentgeltlichen oder verbilligten Übertragung von Vermögensbeteiligungen unterliegt im Kalenderjahr der Übertragung nicht der Besteuerung nach EStG.
Dennoch abzuführende Sozialversicherungsbeiträge
Die auf die unentgeltliche oder verbilligte Übertragung von Vermögensbeteiligungen entfallenden Sozialversicherungsbeiträge sind bereits im Jahr der Ausgabe der Vermögensbeteiligung einzubehalten und abzuführen (häufig nicht relevant soweit über der BBmG).
Nachgelagerte Versteuerung nach EStG
Die Besteuerung des geldwerten Vorteils erfolgt erst im Zeitpunkt der Veräußerung der Vermögensbeteiligung, spätestens nach zwölf Jahren oder bei einem Arbeitgeberwechsel. Ein Betriebsübergang nach § 613a BGB ist in diesem Zusammenhang keine Beendigung des Dienstverhältnisses.
Wenn seit der Übertragung der Vermögensbeteiligung mindestens drei Jahre vergangen sind, fallen die zu besteuernden Arbeitslöhne unter die Tarifermäßigung für außerordentliche Einkünfte nach § 34 Absatz 1 EStG (sog. Fünftelungsmethode). Die Tarifermäßigung ist bereits im Lohnsteuerabzugsverfahren anzuwenden.
Die Besteuerung von Ausschüttungen, Zinsen etc. und Veräußerungsgewinnen bzw. -verlusten richtet sich nach § 20 EStG bzw. nach § 17 EStG bei wesentlichen Beteiligungen am Unternehmen (Beteiligung von mindestens 1 %).
Freibetrag
Der steuerfreie Höchstbetrag für Vermögensbeteiligungen wird von 360 Euro auf 1.440 Euro p.a. erhöht (§ 3 Nummer 39 Satz 1 EStG) angehoben
Rechtssicherheit
Möchte der Arbeitgeber Rechtssicherheit hinsichtlich der lohnsteuerlichen Behandlung im Zeitpunkt der Übertragung der Vermögensbeteiligungen haben, kann er eine Anrufungsauskunft einholen (§ 42e EStG).