Kontext der Änderung
Bereits seit mehreren Jahren ist die europäische Bilanzrichtlinie anwendbar und verpflichtet bestimmte Unternehmen zur umfassenden finanziellen Berichterstattung. Die umsetzungspflichtigen Vorgaben wurden vom deutschen Gesetzgeber in das Handelsgesetzbuch eingeführt.
Mit der europäischen Non-Financial-Reporting-Richtlinie (NFRD) wurde die Bilanzrichtlinie 2014 dahingehend geändert, dass einige Unternehmen auch „nichtfinanzielle“ Informationen zu Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelangen, zur Achtung der Menschenrechte sowie zur Prävention von Korruption und Bestechung tätigen mussten.
Die jetzt finalisierte Richtlinie für die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen knüpft erneut an die Vorgaben der Bilanzrichtlinie an und verpflichtet nun zu deutlich umfangreicheren Offenlegungen über Nachhaltigkeitsaspekte.
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Erweiterte Betroffenheit
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Erhebliche Ausweitung
Offenlegungspflichten
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Standardisierung
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Prüfung (noch) mit
begrenzter
Prüfungssicherheit
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Erweiterte Betroffenheit
Im Vergleich zu den Vorentwürfen der Änderungsrichtlinie ergeben sich im Anwendungsbereich keine Überraschungen.
Ab dem Geschäftsjahr 2024 gelten die Regelungen für große Unternehmen von öffentlichem Interesse im Sinne der Bilanzrichtlinie beziehungsweise Mutterunternehmen einer großen Gruppe mit einer durchschnittlichen Beschäftigtenzahl von mindestens 500, was dem aktuellen Anwendungsbereich im Rahmen der Vorgängerrichtlinie entspricht.
Ab dem Geschäftsjahr 2025 gelten sie für große Unternehmen, die nicht bereits in die erste Kategorie fallen, beziehungsweise Mutterunternehmen einer großen Gruppe sind.
Ab dem Geschäftsjahr 2026 sind dann auch kleine und mittlere Unternehmen, kleine und nicht komplexe Institute sowie firmeneigene (Rück-)versicherungsunternehmen von öffentlichem Interesse betroffen, sofern sie keine Kleinstunternehmen sind. Diese Unternehmen haben jedoch in eingeschränktem Umfang zu berichten und eine Opt-Out-Möglichkeit bis 2028.
Auch Unternehmen außerhalb der EU werden vom Anwendungsbereich erfasst, sofern sie in den vorangegangenen zwei Jahren im Gebiet der EU mehr als EUR 150 Mio. erzielt haben und Tochterunternehmen bzw. Zweigniederlassungen über entsprechenden Schwellenwerten haben. Hier sind Angaben allerdings erst für das Geschäftsjahr ab 2028 notwendig.
Erhebliche Ausweitung der Offenlegungspflichten
In inhaltlicher Sicht sind die sogenannten Nachhaltigkeitsaspekte Dreh- und Angelpunkt der Berichtspflicht, wobei die Angaben nach dem Konzept der doppelten Wesentlichkeit erfolgen sollen. Nachhaltigkeitsaspekte sind legal definiert als „Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtsfaktoren sowie Governance-Faktoren, einschließlich Nachhaltigkeitsfaktoren“ im Sinne der Offenlegungsverordnung.
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Outside-In
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Unternehmen
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Nachhaltigkeitsaspekte
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Inside-Out
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Nach dem Konzept der doppelten Wesentlichkeit sollen die veröffentlichten Informationen ein Verständnis dafür vermitteln, welche Auswirkungen die Tätigkeiten eines Unternehmens auf Nachhaltigkeitsaspekte haben sowie welche Auswirkungen von Nachhaltigkeitsaspekten auf den Geschäftsverlauf, das Geschäftsergebnis und die Lage des Unternehmens bestehen. Dabei sollen sowohl Informationen, die nach beiden Aspekten wesentlich sind, als auch solche, die nur nach einem Aspekt wesentlich sind, offengelegt werden.
Inhaltlich umfasst eine vollwertige (nicht beschränkte) Nachhaltigkeitsberichterstattung mehrere Bereiche: So sollen beispielsweise Transformationspläne zum Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft und der Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5°C beschrieben werden, ebenso wie zeitgebundene Nachhaltigkeitsziele, die Unternehmenspolitik in Bezug auf Nachhaltigkeitsaspekte und die wichtigsten tatsächlichen und potenziellen negativen Auswirkungen der eigenen Geschäftstätigkeit sowie der Wertschöpfungskette (Produkte und Dienstleistungen, Geschäftsbeziehungen, Lieferketten). Auch umfasst ist die Rolle der Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane sowie deren Fachwissen und Fähigkeiten zur Wahrnehmung dieser Rolle.
Standardisierung
Nach aktueller Rechtslage können Unternehmen das Rahmenwerk zur Veröffentlichung selbst wählen beziehungsweise sogar selbst einen passenden Rahmen bilden. Künftig wird grundsätzlich ein einheitlicher Standard vorgeschrieben sein, der von der Europäischen Beratungsgruppe für Rechnungslegung (EFRAG) erarbeitet wird und aktuell aus 12 European Sustainability Reporting Standards (ESRS) besteht, die sowohl übergreifende Standards, als auch solche für Umwelt, Soziales und Unternehmensführung beinhalten. Diese sollen im weiteren Verlauf als delegierter Rechtsakt von der EU-Kommission verabschiedet werden. Ein Entwurf wurde den Mitgliedstaaten übermittelt. Das Bundesministerium der Justiz gab bis zum 9. Januar 2023 die Gelegenheit zur Stellungnahme. Kleine und mittlere Unternehmen erhalten einen Standard, der ihren Kapazitäten und Merkmalen angemessen entspricht. Auch Tochterunternehmen oder Zweigniederlassungen von einem Drittlandunternehmen erhalten einen eigenen Standard.
Durch die Standards soll der Zugriff von Datenkonsumenten erleichtert werden, denn die Daten werden in einem einheitlichen elektronischen Berichtsformat veröffentlicht, sodass über einen zentralen Zugangspunkt (European Single Access Point) alle Daten eingesehen werden können.
Externe Prüfungspflicht (noch) mit begrenzter Prüfungssicherheit
Es wird zwischen begrenzter und hinreichender Prüfungssicherheit unterschieden, wobei die begrenzte Prüfungssicherheit eine Feststellung in Form einer Negativaussage trifft: Den Prüfenden ist kein Sachverhalt bekannt geworden, der zu der Annahme veranlasst, dass wesentliche falsche Darstellungen enthalten sind. Die Prüfung soll die Einhaltung (1) des Standards der Union für die Nachhaltigkeitsberichterstattung, (2) des genutzten Verfahrens zur Ermittlung der benötigten Informationen sowie (3) der Berichterstattung zur Taxonomiekonformität gemäß Art. 8 der Taxonomieverordnung bewerten. Außerdem wird eine progressive Erhöhung der Prüfungssicherheit in Betracht gezogen. Daher wird die Kommission bis Ende 2028 auswerten, ob eine hinreichende Prüfungssicherheit mit einem Standard sinnvoll und möglich ist.