Begriff des Greenwashing
Nach dem Verständnis des gemeinsamen Ausschusses der Europäischen Aufsichtsbehörden EBA, EIOPA and ESMA (ESAs), ist Greenwashing eine Praxis, bei der nachhaltigkeitsbezogene Aussagen, Erklärungen, Handlungen oder Mitteilungen das zugrunde liegende Nachhaltigkeitsprofil eines Unternehmens, eines Finanzprodukts oder einer Finanzdienstleistung nicht klar oder nicht angemessen widerspiegeln. Greenwashing kann irreführend für Verbraucher, Investoren oder andere Marktteilnehmer sein. Solche Behauptungen zur Nachhaltigkeit sind irreführend, unabhängig davon, ob sie absichtlich oder unabsichtlich geäußert oder verbreitet werden. Greenwashing setzt nicht voraus, dass Anleger tatsächlich geschädigt werden. Letztlich ist das Auftreten von Greenwashing unabhängig davon, ob die betreffenden Unternehmen oder Produkte unter den EU-Rechtsrahmen fallen.
Dementsprechend spricht die BaFin von Greenwashing, wenn Finanzprodukte oder Unternehmen als nachhaltiger dargestellt werden, als dies den tatsächlichen Umständen entspricht. Laut BaFin liegt Greenwashing in diesem Sinne dann vor, wenn Praktiken beim Vertrieb von Produkten bzw. bei Erbringung von Finanzdienstleistungen durch beaufsichtigte Unternehmen das tatsächliche Nachhaltigkeitsprofil nicht eindeutig und redlich offenlegen. Anleger würden damit potenziell in die Irre geführt, falls ihre Anlagen nicht die von ihnen gewünschte ESG-Wirkung entfalten. Ziel der BaFin sei es, zum Schutz der Anleger eine irreführende Vermarktung von Finanzprodukten zu vermeiden.
Erscheinungsformen von Greenwashing
Greenwashing kann u.a. in folgenden Erscheinungsformen auftreten:
- Verschweigen: Betonung eines einzelnen umweltfreundlichen Faktors, während umweltschädigende Faktoren verschwiegen werden.
- Fehlende Belege: keine Informationen zu – oder wissenschaftlichen Belege für – umweltbezogene Aussagen.
- Unzutreffende Argumentation, unlogische Begründung: Unterstützung "grüner Projekte", Kompensation des „persönlichen CO2-Fußabdrucks“, z. B. „Ihre Geldanlage wirkt sich direkt auf die folgenden nachhaltigen Kriterien aus…“.
- Vage Begriffe, beschönigendes Design: „messbare“ ökologische Wirkung, „grüne“ Farbgestaltung.
- Fake-Labels, irrelevante Aussagen: Labels, die auf Selbstauskünften von Unternehmen beruhen oder schlicht Nachhaltigkeit symbolisieren sollen.
- Manipulation von Prozessen: etwa die Manipulation von Prüfungen oder Tests, die mit Hilfe von Software durchgeführt werden.
- Missbrauch staatlicher Zertifizierungen: insbesondere freiwilliger staatlicher Zertifizierungen (z.B. EMAS, ISO 14001), mit denen Unternehmen versuchen den Eindruck zu erwecken, dass ihre Produkte oder Prozesse umweltfreundlicher sind als es die Zertifizierung zu belegen vermag.
Sanktionen (Aufsichtsrecht)
Deutschland
Gemäß ihrer eigenen Stellungnahme schöpft die BaFin das ihr zur Verfügung stehende Instrumentarium aus, um Greenwashing zu verhindern:
In der Produkt- und Marktaufsicht prüfe die BaFin die Einhaltung von Transparenz- und Offenlegungspflichten zur ESG-Wirkung (insbesondere EU-Offenlegungsverordnung (OffenlegungsV) und Artikel 5 bis 7 der EU-Taxonomieverordnung (TaxonomieV)).
Bei der Wohlverhaltensaufsicht überwache die BaFin insbesondere die Umsetzung der Vertriebsvorgaben nach den Delegierten Verordnungen zur Insurance Distribution Directive (IDD) bzw. zur zweiten europäischen Finanzmarktrichtlinie (MiFiD II).
Die Bilanzkontrolle der BaFin solle die Einhaltung der Transparenzpflichten nach der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) überwachen. Das angemessene Management von Transitions- und physischen Risiken und die diesbezügliche transparente Offenlegung adressiere die BaFin im Rahmen der Solvenzaufsicht (Säulen 1 und 2 der Regelwerke für Banken und Versicherer).
- Haftungs- und Sanktionsmechanismen im Fondsbereich - Die OffenlegungsV selbst enthält keine Sanktionsvorschriften. Nach Art. 21 TaxonomieV sollen die nach Art. 14 OffenlegungsV zuständigen nationalen Behörden, d.h. in Deutschland die BaFin, dafür sorgen, dass wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Maßnahmen und Sanktionen bei Verstößen festgelegt werden. Hierzu benötigt die BaFin allerdings eine spezifische Rechtsgrundlage (s. auch Punkt 6. Entwurf einer Green Claims-Richtlinie).
- Ordnungswidrigkeit - Ein Verstoß gegen die Transparenzpflichten der OffenlegungsV könnte einen Missstand nach § 5 Abs. 6 des Kapitalanlagegesetzbuchs (KAGB) darstellen. Nach § 340 Abs. 2 Nrn. 24, 38 KAGB ist ein Verstoß gegen die Transparenzpflichten in Jahresbericht oder Verkaufsprospekt eine Ordnungswidrigkeit.
- Vertriebsuntersagung - Weiterhin könnte es sogar zur Untersagung des Vertriebs kommen, wenn wesentliche Anlegerinformationen nach § 307 KAGB, Jahresbericht oder Verkaufsprospekt die Angaben zur OffenlegungsV nicht enthalten.
- Prospekthaftung - Neben aufsichtsrechtlichen kommen auch zivilrechtliche Sanktionen in Betracht. Bei nicht vorhandener oder fehlerhafter Information im Prospekt und den wesentlichen Anlegerinformationen kann die Prospekthaftung nach § 306 Abs. 1 KAGB greifen.
USA
Presseberichten zufolge muss die DWS Group gemäß einer Absprache mit der amerikanischen Börsenaufsicht SEC 19 Millionen Dollar Strafe zahlen, weil sie damit geworben habe, dass Nachhaltigkeit ein „Teil ihrer DNA“ sei, ohne die entsprechenden Kriterien in ihren "Investmentprozessen" zu beachten.
Strafrechtliche Konsequenzen
Presseberichten zufolge hat die Frankfurter Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen Kapitalanlagebetrug (§ 264a des Strafgesetzbuchs (StGB)) gegen den ehemaligen Vorsitzenden der DWS-Geschäftsführung, Asoka Wöhrmann, eingeleitet.
Reputationsschäden
Sanktionen gegen Finanzunternehmen wegen Greenwashing können Geldbußen nach sich ziehen. Doch bereits der öffentliche – selbst ungerechtfertigte – Vorwurf irreführender Green Claims kann erhebliche Reputationsschäden nach sich ziehen. Klagen von Verbrauchern oder Verbänden sowie Druck von Aktivisten auf Finanzunternehmen dürften künftig häufiger werden. Angesichts steigender ESG-Reporting-Anforderungen wachsen die Anforderungen an das Risikomanagement in der Finanzbranche, um Imageschäden, Umsatz- oder Ertragsausfällen vorzubeugen. Finanzunternehmen sind daher gezwungen, Verfahren zur Identifizierung, Vermeidung und zum Management von Greenwashing-Risiken zu implementieren bzw. zu verbessern.
Entwurf einer Green Claims-Richtlinie
Nach dem Entwurf einer EU-Richtlinie über Umweltaussagen vom 22. März 2023 (Green Claims-Richtlinie) sollen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass Gewerbetreibende künftig eine Bewertung durchführen, um ausdrückliche Umweltaussagen zu begründen und irreführende Aussagen zu vermeiden.
Diese Bewertung soll
- den Geltungsbereich von Umweltaussagen bezüglich Produkten bzw. Tätigkeiten von Gewerbetreibenden enthalten,
- sich auf allgemein anerkannte wissenschaftliche Erkenntnisse stützen, genaue Informationen verwenden und einschlägige internationale Standards berücksichtigen,
- nachweisen, dass die Umweltauswirkungen, die Umweltaspekte oder die Umweltleistung, die Gegenstand der Aussage sind, im Hinblick auf den Lebenszyklus des Produkts oder der gesamten Tätigkeit des Gewerbetreibenden relevant sind,
- bei Aussagen über die Umweltleistung alle Umweltaspekte oder Umweltauswirkungen berücksichtigen, die für die Bewertung der Umweltleistung von Bedeutung sind,
- nachweisen, ob die Aussage den gesetzlichen Anforderungen entspricht,
- Angaben darüber liefern, ob das Produkt oder der Gewerbetreibende unter dem Umweltgesichtspunkt wesentlich besser als üblich abschneidet,
- feststellen, ob positive Entwicklungen zu einer erheblichen Verschlechterung anderer Auswirkungen führen,
- verlangen, dass über Kompensationen von Treibhausgasen in transparenter Weise Bericht erstattet wird, sowie
- genaue Primär- oder Sekundärinformationen enthalten.
Die zuständigen Behörden, die die Einhaltung des Vorschlags auf dem Binnenmarkt überwachen, sollen zur Untersuchung und Durchsetzung der Anforderungen die Befugnis haben,
- auf relevante Informationen in Bezug auf einen Verstoß zuzugreifen,
- Zugang zu relevanten Informationen zu verlangen, um festzustellen, ob ein Verstoß vorliegt,
- Ermittlungen oder Verfahren einzuleiten,
- von Gewerbetreibenden zu verlangen, Abhilfemaßnahmen und Maßnahmen zu ergreifen, um einen Verstoß abzustellen und
- gegebenenfalls Unterlassungsanordnungen zu erlassen und Sanktionen zu verhängen.
Die von den Mitgliedstaaten festzulegenden Sanktionen müssen sich nach Art, Schwere, Umfang und Dauer des Verstoßes, vorsätzlicher oder fahrlässiger Begehung, der Finanzkraft des Verantwortlichen, dem wirtschaftlichen Nutzen aus dem Verstoß sowie etwaigen früheren Verstößen oder anderen erschwerenden Faktoren richten. Sanktionen, die bereits in anderen Mitgliedstaaten für denselben Verstoß verhängt wurden, sind dabei zu berücksichtigen.