Entwicklung des Transaktionsmarkts für deutsche Gewerbeimmobilien
Nach der langen Boomphase im Immobilienmarkt, in der das jährliche Transaktionsvolumen von EUR 10,45 Mrd. (2009) bis auf EUR 68,3 Mrd. (2019) gestiegen war (Quelle: CBRE), verringerte sich das Volumen für Transaktionen von Gewerbeimmobilien in Deutschland in den letzten 18–24 Monaten wieder spürbar. So schrumpfte das Transaktionsvolumen im ersten Pandemiejahr 2020 laut CBRE auf EUR 59,2 Mrd. Nachdem sich der deutsche Markt im Jahr 2021 ein wenig zu erholen schien (EUR 62,1 Mrd.), ist das Transaktionsvolumen im Jahr 2022 weiter auf EUR 52,3 Mrd. gesunken. Während nach Untersuchungen von Cushman & Wakefield im Bürosektor eine Verringerung des Transaktionsvolumens von ca. 27% von 2021 auf 2022 zu verzeichnen ist, stieg das Transaktionsvolumen für Logistik- und Industrieimmobilien noch leicht um 4%. Im ersten Quartal 2023 belief sich laut dem Maklernetzwerk German Property Partners (GPP) das Transaktionsvolumen von Gewerbeimmobilien für die sieben größten deutschen Städte auf ca. EUR 2,6 Mrd., was einem Minus von 72% im Vergleich zum Vorjahresquartal entspricht. Nach Untersuchungen von Cushman & Wakefield erreichte der gesamte deutsche Investmentmarkt für gewerblich genutzte Immobilien im 1. Quartal 2023 ein Transaktionsvolumen von EUR 5,1 Mrd.
Damit waren die ersten drei Monate des Jahres 2023 der schwächste Start in ein Jahr seit 2010. Als wesentliche Gründe für den derzeitigen Einbruch des Transaktionsvolumens am Immobilienmarkt gelten neben den stark gestiegenen Kreditzinsen auch andere politische und ökonomische Faktoren wie gestiegene Baukosten, Lieferengpässe, höhere Energiekosten, Planungen in der Politik zu Klimaschutzmaßnahmen an Gebäuden, welche zu Verunsicherungen und nicht absehbaren Kosten führen, sowie die Auswirkungen der COVID-19 Pandemie und des anhaltenden Kriegs in der Ukraine.
Dieser derzeitige Wandel am Immobilienmarkt bietet dabei neben Risiken auch viele Chancen für potentielle Investoren, mit denen sich die Beitragsserie „Immobilien in der Krise“ näher befassen wird.
Erwerb von Immobilien im Vorfeld oder in der Insolvenz und NPL-Portfoliotransaktionen als alternative Erwerbsmöglichkeiten
Durch die gestiegenen Zinsen halten sich Investoren, die auf die Finanzierung einer Immobilie mit Fremdkapital angewiesen sind, derzeit im deutschen Markt mit Transaktionen zurück. Auch die weiteren zuvor genannten Unsicherheiten tragen zum eingangs erwähnten Einbruch des Transaktionsmarkts bei. Wann sich die Krise am Immobilienmarkt ihrem Ende zuneigen wird, wird derzeit unterschiedlich beurteilt. Angesichts der gestiegenen Baukosten, der politischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten und der erhöhten Zinskosten sowie der Probleme bei der Anschlussfinanzierung ist damit zu rechnen, dass zunehmend Grundstückseigentümergesellschaften Finanzierungsprobleme in Bezug auf Bestandsimmobilien oder laufende Projektentwicklungen bekommen werden. Erste Restrukturierungen sind bereits – teils bekannt, teils unbekannt – im Gange. Bestandshalter werden sich zunehmend veranlasst sehen, Verkäufe vorzunehmen und ihre Immobilien am Markt für einen günstigeren Kaufpreis anzubieten. Auf der anderen Seite werden Grundpfandgläubiger in die Lage versetzt, die Zwangsvollstreckung in der Immobilie zu betreiben, wenn ihre Forderungen nicht mehr erfüllt werden können.
Vor diesem Hintergrund sehen sich viele potentielle Investoren nach alternativen Erwerbsmöglichkeiten und Chancen in der derzeitigen Krisenlage um. Insoweit ist davon auszugehen, dass insbesondere dem Erwerb von Immobilien im Vorfeld einer nicht auszuschließenden Insolvenz, aus einer Insolvenz sowie von immobilienbesicherten NPLs (Non-Performing Loans) eine zunehmend gewichtigere Bedeutung zukommen wird.
Erwerb im Vorfeld einer Insolvenz in (drohender) Krisensituation
Der Erwerb von einem potentiell in der Krise befindlichen Immobilieneigentümer findet im Ausgangspunkt wie jeder andere Immobilienerwerb statt, sei es als Asset-Deal, sei es als Share-Deal. Dennoch gilt es bei diesen Transaktionen, einen besonderen Augenmerk auf spezielle Risikosituationen zu haben. Das Hauptrisiko, das es zu vermeiden gilt, ergibt sich aus der Möglichkeit einer insolvenzrechtlichen Anfechtung im Rahmen eines nachgelagerten Insolvenzverfahrens. Diese kann im Extremfall dazu führen, die erworbene Immobilie an den Insolvenzverwalter zurück übertragen zu müssen. Die Rückforderung des Kaufpreises kann hingegen nur zur Insolvenztabelle angemeldet werden, was zu einer lediglich quotalen Befriedigung führt. Besonders risikobehaftet sind Geschäfte, in denen der Käufer von der Krisensituation des Verkäufers weiß oder er Indizien dafür kennt. Zumindest nach einer Due Diligence wird vielfach anzunehmen sein, dass ein Käufer Anhaltspunkte dafür sehen konnte, dass der Verkäufer sich in der Krise befand, also seine Zahlungsunfähigkeit zumindest drohte.
Vor diesem Hintergrund bietet sich bei einem Immobilienerwerb außerhalb der Insolvenz die Inanspruchnahme unterschiedlicher vorsorglicher Schutzmechanismen an, welche das Insolvenzanfechtungsrisiko ausschließen oder zumindest erheblich mindern können, wobei der Abschluss des Kaufvertrags und die zu seiner Durchführung vorgenommenen Erfüllungshandlungen separat anfechtbar sind. Die vorsorglichen Schutzmechanismen umfassen insbesondere von unabhängigen Dritten erstellte Nachweise der Angemessenheit des Kaufpreises (z.B. durch eine Fairness Opinion) sowie des Nichtvorliegens einer eingetretenen oder drohenden Zahlungsunfähigkeit der späteren Insolvenzschuldnerin (z.B. durch ein IDW S 11 Gutachten). Darüber hinaus könnte und sollte auch die Existenz eines ernsthaften und erfolgsversprechenden Sanierungskonzepts (z.B. durch ein IDW S 6 Gutachten) dokumentiert werden, sofern es Anhaltspunkte auf das Erfordernis einer Sanierung gibt. Erfolgen die Erfüllungshandlungen zum Closing wie geschuldet und ursprünglich vereinbart Zug um Zug oder jedenfalls in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang und hat sich an der Angemessenheit des Kaufpreises seit dem Signing nichts geändert, so ist der Käufer bereits aufgrund dessen weitgehend vor Anfechtungen der Übertragungshandlungen geschützt.
Besonderes Augenmerk verdient auch die Frage der Absicherung von Ansprüchen aus dem Kaufvertrag. Für Garantien und Steuerfreistellungsansprüche bietet sich ggf. der Abschluss einer W&I Versicherung an. Bei feststehenden Risikosachverhalten, welche in aller Regel nicht ohne weiteres durch W&I Versicherungen abgedeckt werden, kommen v.a. andere Sicherheiten wie z.B. Einbehalte vom Kaufpreis etc. in Betracht.
Erwerb im Rahmen der Insolvenz
Für die Verwertung der Immobilie im Rahmen eines Insolvenzverfahrens wird entweder die Zwangsversteigerung über das Vollstreckungsgericht oder der freihändige Verkauf am Markt durch den Insolvenzverwalter gewählt.
Bei der Zwangsversteigerung erhält der Meistbietende den Zuschlag und wird Eigentümer kraft Hoheitsaktes. Der Prozess ist an strenge Vorschriften und Abläufe nach dem deutschen Zwangsvollstreckungsgesetz geknüpft.
Als gesetzlich nicht geregelte Alternative steht der Zwangsversteigerung der freihändige Verkauf durch den Insolvenzverwalter gegenüber. Die Immobilie wird am freien Markt angeboten, um bestmögliche Veräußerungserlöse zu erzielen. Auch die sonstigen Voraussetzungen, wie z.B. der zeitliche Rahmen, können durch die Beteiligten einvernehmlich festgelegt werden.
Der Erwerb einer Immobilie im Rahmen einer Zwangsversteigerung oder durch einen freihändigen Verkauf durch den Insolvenzverwalter bietet für den Erwerber in der Regel die Möglichkeit, die Immobilie zu günstigeren Konditionen zu erwerben. Im Gegenzug ist zu beachten, dass bei einer Zwangsversteigerung der Ersteher gemäß § 56 Satz 3 ZVG bereits keinen Anspruch auf Gewährleistung erhält. Auch bei einem freihändigen Verkauf wird sich der Insolvenzverwalter auf die Übernahme von umfangreichen Garantien oder Freistellungsverpflichtungen regelmäßig nicht einlassen und im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten vielmehr seine Gewährleistungsverpflichtungen ausschließen bzw. beschränken.
Insoweit kommt daher der Prüfung der rechtlichen und wirtschaftlichen Risiken einer Immobilie im Rahmen der vorab durchzuführenden Due Diligence eine bedeutende Rolle zu. Andererseits ist es gerade bei Transaktionen in der Unternehmenskrise aufgrund diverser Fristen und der Notwendigkeit schneller Liquidität häufig erforderlich, dass der Käufer die Due Diligence besonders schnell und effizient durchführt. Letztlich erhöhen sich nach einer Due Diligence die Chancen des potentiellen Investors, durch gefundene Risiken an der Immobilie Kaufpreisabschläge vereinbaren zu können. Eine Absicherung kann auch hier zudem ggf. über den Abschluss einer W&I Versicherung erfolgen. Während der Erwerber bzw. Ersteher kraft Gesetzes in die bestehenden Mietverhältnisse eintritt, besteht im Rahmen dieser Erwerbsform die Möglichkeit für den Erwerber bzw. Ersteher, sich von unwirtschaftlichen Mietverträgen auf Grundlage der Sonderkündigungsrechte gemäß § 111 Satz 1 InsO und § 57a Satz 1 ZVG nach Erwerb bzw. Zuschlag wieder zu lösen.
Erwerb von NPLs (Non-Performing Loans)
Die Risikomanager der deutschen Kreditinstitute erwarten laut der Wintererhebung des NPL-Barometers (Dezember 2022), herausgegeben von der Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing sowie der Frankfurt School of Finance & Management, dass der Bestand notleidender Kredite, sog. NPLs, bis Ende 2023 auf EUR 35,3 Mrd. anwachsen wird. Ende 2024 dürfte das Volumen notleidender Kredite laut der Befragung bei EUR 38,1 Mrd. liegen – dies entspricht einem Zuwachs von 24% gegenüber September 2022. Zugleich wird seit einigen Jahren auf EU-Ebene regulatorischer Druck auf Kreditinstitute ausgeübt, ihre NPL-Quoten zu senken.
Dieser im Wachstum befindliche NPL-Markt stellt für potentielle Erwerber in Zeiten von abnehmenden Immobilieninvestitionen eine gangbare Alternative dar, um die Sicherungsmittel der Banken, welche oftmals aus Immobilien bestehen, im Rahmen der NPL-Transaktion übertragen zu bekommen. Auf diese Weise wird der Erwerber zudem in die Lage versetzt, an Immobilien (oder andere Vermögenswerte) als Sicherungsmittel zu gelangen, die anderweitig nicht zum Verkauf gestanden hätten.
Zu beachten ist, dass in Deutschland die Verwertung der als Sicherheit dienenden Immobilie nicht dazu führt, dass der Gläubiger unmittelbar Eigentümer der Immobilie wird. Vielmehr findet eine Verwertung der Immobilie im Wege der Zwangsversteigerung oder im Rahmen eines freihändigen Verkaufs statt, wobei ein solcher Erwerb grundsätzlich auch durch den NPL-Erwerber selbst stattfinden kann. Daneben können potentielle Erwerber bei Verfolgung einer sog. Loan-to-Own-Strategie zunächst die Schulden eines Unternehmens erwerben, diese dann mit Zustimmung des Schuldners in Eigenkapital des Unternehmens umwandeln (sog. Debt-to-Equity Swap) und sich auf diese Weise letztlich die Kontrolle über das Unternehmen sichern. Des Weiteren besteht die Chance, dass sich der erworbene Unternehmensanteil z.B. nach einer Restrukturierung des Unternehmens im Wert erhöht.
Während in der Vergangenheit das Ziel von NPL-Transaktionen oftmals noch in einer kurzfristigen Verwertung der Kreditsicherheit im Wege von zeitnahen Zwangsversteigerungen bestand, ist der allgemeine Fokus auf das Prinzip der Nachhaltigkeit durch die steigende Attraktivität von ESG-Produkten mittlerweile auch auf den NPL-Markt übertragbar: Potentiellen Investoren steht die Möglichkeit offen, neben der unmittelbaren Verwertung von Kreditforderungen auch indirekt über ein aktives Management der als Sicherheiten dienenden Immobilien zu profitieren, indem diese in Kooperation mit den weiteren Beteiligten durch Umsetzung der richtigen ESG-Strategie zu einem höherwertigen Asset entwickelt werden. Eine solche Aufwertung der Bestandsimmobilie z.B. durch den Einsatz ressourcen- und umweltschonender Technologien im Rahmen einer Sanierung kann zu einer profitableren Platzierung der Immobilie am Markt beitragen, als es eine kurzfristige Zwangsversteigerung der derzeitigen Bestandsimmobilie in ihrem nicht-ESG-konformen Zustand erlauben würde. Nicht zu vernachlässigen wäre zudem die hiermit verbundene positive Öffentlichkeitswirkung sowohl für den NPL-Veräußerer als auch den NPL-Erwerber.