Definition von Mobbing und Belästigung
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung bezeichnet „Mobbing“ das „systematische Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte“ (BAG, 15.01.1997 – 7 ABR 14/96) und erfordert Verhaltensweisen, die jedenfalls in ihrer Gesamtheit das allgemeine Persönlichkeitsrecht, die Ehre oder die Gesundheit des Betroffenen verletzen. Nach EU-Rechtsprechung ist Mobbing ein „ungebührliches Verhalten, das über einen längeren Zeitraum, wiederholt oder systematisch in Verhaltensweisen, mündlichen oder schriftlichen Äußerungen, Handlungen oder Gesten zum Ausdruck kommt“ (EuGH, 13.07.2018 – T-275/17).
Rechtlich relevantes Verhalten
Vor diesem Hintergrund ist nicht alles, was landläufig als „Mobbing“ bezeichnet wird, auch von rechtlicher Relevanz. „Reibungspunkte“ im Betrieb, die nach einem objektiven Maßstab unter Berücksichtigung der Art des Betriebes und des üblichen Umgangs der Beschäftigten untereinander im Betrieb als sozialadäquat einzustufen sind, sind nicht erfasst.
Ob tatsächlich ein Fall von Mobbing vorliegt, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Typische Verhaltensweisen, die auf einen Mobbingtatbestand hindeuten können, sind beispielsweise das sog. „Gaslighting“, Ausgrenzungen oder Einschüchterungen durch Vorgesetzte („Bossing“) oder Arbeitnehmer („Staffing“) oder Kontakt- bzw. Kommunikationsabbruch („Ghosting“). Sexuelle Belästigungen und Diskriminierungen können ebenfalls Formen von Mobbing sein. Darüber hinaus gewinnen die unter dem Begriff „Cybermobbing“ gebündelten Sachverhalte eine immer größer werdende Bedeutung in der betrieblichen Praxis. Allein ein ärztliches Attest mit „mobbingtypischem” medizinischen Befund stellt dabei allerdings noch kein Indiz für Mobbinghandlungen oder entsprechende Kausalität dar (BAG, 16.05.2007 – 8 AZR 709/06).
Ebenso sind Weisungen im Rahmen des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts in der Regel nicht als Mobbing zu qualifizieren, beispielsweise wenn der Arbeitgeber eine rechtswidrige Kündigung oder Abmahnung in engem, zeitlichem Zusammenhang zu einer Pflichtverletzung, die sich später als unbegründet herausstellt, ausspricht. Anderes kann gelten für die vorsätzlich herbeigeführte Unterbeschäftigung durch den Arbeitgeber (sog. „Kaltstellen“) und die damit verbundene Ausgrenzung aus dem betrieblichen Geschehensablauf.
Handlungspflichten des Arbeitgebers
Rechtliche Grundlagen
Aus der arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht gemäß § 241 Abs. 1 BGB ergibt sich, dass Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer vor Belästigungen durch Vorgesetzte, Mitarbeiter oder Dritte, auf die die Arbeitgeber Einfluss haben, zu schützen und ihnen einen menschengerechten Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen haben. Zudem folgt aus § 75 Abs. 2 BetrVG die Pflicht, zusammen mit dem Betriebsrat betroffene Arbeitnehmer zu schützen und auf eine positive Gestaltung der Arbeitsbedingungen im Interesse der freien Persönlichkeitsentfaltung hinzuwirken, wobei diese Vorschrift keinen Individualanspruch des einzelnen Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber gewährt. Einen arbeitsschutzrechtlichen Anspruch gewähren allerdings die §§ 3 ff. ArbSchG, die den Arbeitgeber verpflichtet, insbesondere auch hinsichtlich psychischer Belastungen bei der Arbeit, Schutzmaßnahmen zu erwägen, zu ermitteln und umzusetzen.
Daneben ergeben sich aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) weitere Verpflichtungen. Insbesondere sind Arbeitnehmer vor Diskriminierungen aufgrund Rasse, ethnischer Herkunft, Religion und Weltanschauung, Alter, Geschlecht, Behinderung oder sexueller Identität zu schützen. Arbeitgeber müssen dabei gemäß § 12 AGG gegebenenfalls auch präventiv und repressiv handeln. Beispielsweise sind sie verpflichtet, gegen den Schädiger vorzugehen und arbeitsrechtliche Maßnahmen wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung zu ergreifen.
Prävention
Insbesondere durch die Einführung eines sog. „Code of Conduct“, d.h. verbindliche Leitlinien für einen respektvollen Umgang innerhalb der Belegschaft, kann arbeitgeberseitig ein Wertekanon eingeführt werden. Zu beachten ist, dass diese Pflichten die betriebliche Ordnung betreffen und damit der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG unterliegen.
Darüber hinaus sollten Arbeitgeber ihre Führungskräfte, bspw. durch Schulungen, sensibilisieren. Dabei spielt auch die Vorbildfunktion von Führungskräften eine Rolle, etwa indem ein wertschätzendes und respektvolles Verhalten vorgelebt wird.
Schließlich könnte ein Mobbing-Beauftragter ernannt oder eine anonyme Beschwerdestelle eingerichtet werden, gegebenenfalls in Kombination mit einer Meldestelle nach dem Hinweisgeberschutzgesetz.
Aufklärung
Bei Verdachtsfällen müssen Arbeitgeber einerseits (mutmaßlich) betroffene Arbeitnehmer vor Persönlichkeitsrechtsverletzungen und andererseits Vorgesetzte/Kollegen vor ungerechtfertigten Vorwürfen schützen.
Aufklärungsmaßnahmen, Handlungen und Reaktionen sollten ausreichend dokumentiert werden, um in später eingeleiteten Prozessen vor dem Arbeitsgericht ausreichend substantiiert dargelegt werden zu können (vgl. LAG Schleswig-Holstein, 11.10.2023 – 6 Sa 48/23). Bei der Sachverhaltsermittlung zur Vorbereitung einer Kündigung hat der Arbeitgeber dabei die strengen Fristen für den Ausspruch von Kündigungen zu berücksichtigen.
Reaktion
Arbeitgeberseitige Maßnahmen müssen angemessen und insgesamt verhältnismäßig sein. Bei leichteren Vorwürfen können geeignete Maßnahmen bereits die Durchführung eines Mediationsverfahrens, eine Team-Supervision oder ein Teamcoaching darstellen. Bleiben diese „sanfteren“ Maßnahmen erfolglos oder verlangt das Mobbingverhalten aufgrund seiner Schwere nach einer schärferen Reaktion, kommen eine Versetzung oder disziplinarische Maßnahmen (Abmahnung, ordentliche oder fristlose Kündigung) in Betracht.
Haftungsrisiken
Arbeitgeber sehen sich in Mobbingfällen auch Haftungsrisiken ausgesetzt. Mobbinggeschädigte können insbesondere Ansprüche nach §§ 823 ff. BGB, wie beispielsweise auf Unterlassung, Schadensersatz oder Schmerzensgeld gegen den Arbeitgeber geltend machen, sofern ein Schutzgut (körperliche/psychische Unversehrtheit) oder ein Schutzgesetz (Fürsorgepflicht nach § 241 Abs. 2 BGB) verletzt sind.
Sofern Mobbinghandlungen zugleich eine Belästigung im Sinne des AGG darstellen, bestehen weitere Haftungsrisiken. In Diskriminierungsfällen kann Arbeitnehmern neben Schadensersatzansprüchen auch eine angemessene Entschädigung in Geld zugesprochen werden.