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Deutschland | Publikation | November 2022
Früher unterschied die Rechtsprechung zwischen Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), die sich entweder auf den technischen Betriebsablauf oder auf den kaufmännischen Bereich bezogen und bei denen letztlich jeweils der bloße ausdrückliche, konkludente, vermutete oder objektiv bestimmte Geheimhaltungswille des Geheimnisinhabers zur Einstufung als Geheimnis genügte.
Mit Inkrafttreten des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) im Jahr 2019, das die EU-Vertraulichkeitsrichtlinie in nationales Recht umsetzte, wurde erstmals der Begriff des Geschäftsgeheimnisses gesetzlich definiert. Geschäftsgeheimnis kann demnach eine Information sein, die in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, nicht allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich ist und daher von wirtschaftlichem Wert ist. Hierzu zählen beispielsweise Herstellungsverfahren, Prototypen, Kunden- und Lieferantenlisten, Kosteninformationen, Geschäftsstrategien, Unternehmensdaten oder Marktanalysen. Der Geheimnisinhaber muss außerdem insoweit angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen getroffen und ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung haben.
Bei Vorliegen der Voraussetzungen stehen dann dem Arbeitgeber als Geheimnisinhaber bei einer Verletzungshandlung durch den Arbeitnehmer verschiedene Ansprüche zu: Beseitigung und Unterlassung (§ 6 GeschGehG), Vernichtung, Herausgabe, Rückruf, Entfernung und Rücknahme rechtsverletzender Produkte vom Markt (§ 7 GeschGehG), Auskunft (§ 8 GeschGehG) sowie, wenn der Rechtsverletzer die Handlung zu verschulden hat, Schadensersatz (§ 10 GeschGehG).
Um seine Ansprüche nach dem Geschäftsgeheimnisgesetz gegen den Arbeitnehmer geltend zu machen, muss der Arbeitgeber neben der Verletzungshandlung insbesondere das Vorliegen eines Geheimnisses im Sinne des GeschGehG darlegen und beweisen.
a) Geheimheit
In einem ersten Schritt muss die Geheimheit bzw. die fehlende Offenkundigkeit des Geheimnisses dargelegt und ggf. bewiesen werden. Nach einem jüngeren Entscheidung (ArbG Aachen, 13.01.2022 – 8 Ca 1229/20) muss der Sachvortrag zu den geschützten Informationen sehr konkret und so detailliert sein, dass ein Sachverständiger beurteilen kann, ob die Informationen tatsächlich geheim oder ob sie nicht allgemein bekannt sind, und um zu beweisen, dass sich daraus ein Know-how-Vorsprung ergibt.
Im Übrigen bejaht die Rechtsprechung die Offenkundigkeit bereits dann, wenn ein Interessierter die betreffenden Tatsachen ohne besondere Schwierigkeiten und Mühen in Erfahrung bringen kann (BAG, 26.02.1987 – 6 ABR 46/84).
b) Schutzkonzept
In einem zweiten Schritt ist das Vorhandensein eines angemessenen Schutzkonzepts darzulegen und zu erläutern, welche konkreten und angemessenen Maßnahmen im Einzelfall getroffen wurden. Die erforderlichen konkreten Geheimhaltungsmaßnahmen hängen dabei von der Art des Geschäftsgeheimnisses im Einzelnen und von den konkreten Umständen der Nutzung ab.
Angemessen sind Geheimhaltungsmaßnahmen, wenn der Inhaber alles Notwendige und Zumutbare getan hat, um die betreffende Information nicht offenkundig werden zu lassen. Nach der Rechtsprechung ist die Angemessenheit von Geheimhaltungsmaßnahmen objektiv zu beurteilen und nach den konkreten Umständen des Einzelfalls im Sinne einer Verhältnismäßigkeitsprüfung zu würdigen (LAG Baden-Württemberg, 18.08.2021 – 4 SaGa 1/21). Mindeststandard sei, dass relevante Informationen nur Personen anvertraut werden dürfen, die diese zur Durchführung ihrer Aufgabe potenziell benötigen und die zur Verschwiegenheit verpflichtet seien (Need-to-know-Prinzip).
Bei der Beurteilung der Angemessenheit können folgende Aspekte berücksichtigt werden: Wert des Geschäftsgeheimnisses und dessen Entwicklungskosten, Natur der Information, Bedeutung für das Unternehmen, Größe des Unternehmens, die üblichen Geheimhaltungsmaßnahmen in dem Unternehmen, die Art der Kennzeichnung der Information und vereinbarte vertragliche Regelungen mit Arbeitnehmern und Geschäftspartnern.
Für Arbeitgeber bedeutet dies, dass ein konkretisiertes, auf die einzelnen Geheimnisse speziell abgestelltes Geheimnisschutzmanagement durchgeführt werden muss, wenn sie bestimmte Informationen unter den Schutz des Geschäftsgeheimnisgesetzes stellen wollen.
Neben verschiedenen technisch-organisatorischen Maßnahmen sind auch arbeitsvertragliche Regelungen typische Bestandteile eines Schutzkonzeptes im Sinne des Geheimnisschutzgesetzes. Arbeitsvertragliche Vertraulichkeitsklauseln können jedoch darüber hinaus eine eigenständige Bedeutung dann erlangen, wenn die übrigen strengen Voraussetzungen des Geschäftsgeheimnisse Gesetzes, insbesondere das Bestehen eines angemessenen Schutzkonzeptes, nicht erfüllt sein sollten.
a) Allgemeine Verpflichtung zur Wahrung von Geschäftsgeheimnissen
Bereits ab Vertragsschluss trifft alle Arbeitnehmer die aus dem Arbeitsverhältnis als Nebenpflicht resultierende Pflicht zur Geheimhaltung von Geschäftsgeheimnissen (BAG, 15.12.1987 – 3 AZR 474/86). Diese Verpflichtung gilt auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses fort. In der Rechtsliteratur wird allerdings überwiegend unterstellt, dass der Begriff des Geheimnisses im Sinne dieser Rechtsprechung heute demjenigen des Geschäftsgeheimnisgesetzes entspricht und damit ebenfalls ein angemessenes Schutzkonzept voraussetzt.
b) Ausgestaltung von vertraglichen Verschwiegenheitsklauseln
Angesichts dieser begrenzten Reichweite des Schutzes durch das Geschäftsgeheimnisgesetz und die allgemeinen vertraglichen Nebenpflichten haben viele Arbeitgeber seit jeher in ihren Muster-Arbeitsverträgen deutlich weitreichendere Verschwiegenheitsklauseln aufgenommen, welche sich auf „alle vertraulichen Angelegenheiten“ oder ähnliches erstrecken. Die Wirksamkeit derartiger Klauseln wird jedoch zunehmend infrage gestellt.
So hat das Arbeitsgericht Aachen in seiner bereits oben genannten Entscheidung die Auffassung vertreten, dass eine Bindung ohne jede zeitliche Beschränkung und ohne inhaltliche Konkretisierung nicht ausreichend die grundgesetzlich geschützte Rechtsposition des Arbeitnehmers berücksichtige (ArbG Aachen, 13.01.2022 – 8 Ca 1229/20).
Für den Arbeitnehmer muss hiernach klar erkennbar sein, welche konkreten Geschäftsinformationen von der betreffenden Klausel erfasst sein sollen.
Vielfach wird eine solche abschließende Benennung und Aufzählung derartiger Geschäftsinformationen nur schwer möglich sein, zumal bei Vertragsschluss häufig noch nicht absehbar ist, mit welchen konkreten vertraulichen Informationen der jeweilige Mitarbeiter in seinem Arbeitsbereich und im Laufe seines Arbeitslebens in Berührung kommen wird. Denkbar erscheint dies demgegenüber bei Mitarbeitern in bestimmten Aufgabenbereichen mit besonderer und umfassender Geheimhaltungsbedürftigkeit wie beispielsweise in den Bereichen Forschung und Entwicklung oder auch Vertrieb. Dabei darf sich die Klausel nach einer aktuellen Entscheidung des Arbeitsgerichts Hamburg beispielsweise für Kundenberater allgemein erstrecken auf „alle Daten über Mandanten und Zielfirmen/Zielkunden, von denen der Arbeitnehmer im Rahmen seiner Aufgabenerfüllung Kenntnis erlangt und die in den Datenbanken der Gesellschaft gespeichert und verwaltet werden“ bezieht (ArbG Hamburg, 27.01.2022 – 4 Ca 356/20).
c) Rechtsfolgen bei Verstößen
Verstöße gegen die allgemeine Pflicht zur Wahrung von Geschäftsgeheimnissen oder gegen eine (wirksame) Verschwiegenheitsklausel nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses können insbesondere Ansprüche auf Unterlassung und Schadensersatz, im noch laufenden Arbeitsverhältnis außerdem ein Recht zur Abmahnung oder Kündigung begründen. Vertraglich können für solche Fälle außerdem angemessene Vertragsstrafen vereinbart werden.
Die Rechtsprechung stellt heute vielfach strenge Anforderungen an die Wirksamkeit allgemeiner Verschwiegenheitsklauseln. Für die arbeitsrechtliche Praxis ist dabei im Einzelfall zu entscheiden, ob sich die zu schützenden Informationen sinnvoll und abschließend in bestimmte Kategorien fassen lassen. Im Regelfall wird dies kaum möglich sein. Im Ergebnis werden häufig weiterhin die bisher üblichen und (zu) weitreichenden Klauseln verwendet werden, auch wenn diese einer gerichtlichen Überprüfung gegebenenfalls nicht standhalten würden.
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