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Die Kunst des Streitens
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Deutschland | Publikation | November 2023
Die Erreichung von Zielen für Nachhaltigkeit und verantwortungsvolles Unternehmerhandeln in den Bereichen Umwelt (Environmental), Soziales (Social) und Unternehmensführung (Governance) („ESG") gewinnt insbesondere bei Unternehmenstransaktionen zunehmend an Bedeutung für die Unternehmensbewertung, den Kaufpreis und den Kaufvertrag. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn Unternehmen aus strategischen Gesichtspunkten die eigene ESG-Resilienz verbessern, attraktivere Wertschöpfungsmöglichkeiten nutzen oder sich zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit von Geschäftszweigen trennen wollen, die mit langfristigen ESG- und Nachhaltigkeitszielen unvereinbar sind.
Bei ESG-motivierten M&A-Transaktionen sehen sich Verkäufer und Käufer mit Unsicherheiten und Differenzen konfrontiert, die immense Haftungsrisiken bergen und folglich zu Rechtsstreitigkeiten führen können. Der Steuerung von ESG-Risiken durch entsprechende Regelungen im Unternehmenskaufvertrag kommt damit eine erhebliche Bedeutung zu.
Die Vertragsparteien stehen vor der rechtlichen Herausforderung, neben umfangreichen gesetzlichen Regelungen zahlreiche nicht verbindliche Regelungen berücksichtigen zu müssen. Die Dichte rechtlich verbindlicher ESG-bezogener Vorschriften (sog. „Hard Law“) auf EU-Ebene und durch den deutschen Gesetzgeber ist hoch und dehnt sich nicht zuletzt durch die Umsetzung des „European Green Deal“ auf immer mehr Bereiche aus. Hierzu zählen beispielsweise die Vorschriften der EU-Taxonomie-Verordnung, die Vorschriften zu Lage- und Nachhaltigkeitsberichten (§§ 289b–e, 315b–d HGB), das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz oder das Hinweisgeberschutzgesetz. Allerdings fehlt bisher eine gesetzliche Definition des ESG-Risikos. Die deutsche Finanzaufsichtsbehörde BaFin beschreibt Nachhaltigkeitsrisiken zwar als „Ereignisse oder Bedingungen aus den Bereichen Umwelt, Soziales oder Unternehmensführung, deren Eintreten tatsächlich oder potenziell negative Auswirkungen auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage sowie auf die Reputation eines beaufsichtigten Unternehmens haben können“ (Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken, 13.01.2020). Aus der daran anschließenden beispielhaften Aufzählung von Nachhaltigkeitszielen ergibt sich allerdings nicht die für die Vertragsgestaltung wichtige Differenzierung, wann bei einem Nachhaltigkeitsziel von einem ESG-Risiko gesprochen werden kann.
Des Weiteren sind rechtlich nicht verbindliche, transnationale Regelungen des sog. „Soft Law“ zu beachten, wie beispielsweise das Pariser Klimaschutzabkommen, die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen oder die von der Global Reporting Initiative bereitgestellten Richtlinien für die Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten von Unternehmen. Darauf basierende Selbstverpflichtungen der Unternehmen in Form von internen Richtlinien oder Programmen können insofern Verbindlichkeit erlangen, als dass gegenüber Investoren und dem Markt eine Erwartungshaltung erzeugt wird, deren Enttäuschung mindestens zu Reputationsschäden führen kann.
Bei der Steuerung von Nachhaltigkeitsrisiken kommt der Due Diligence besondere Bedeutung zu. Die Prüfung der wesentlichen Vereinbarungen, ESG-Strategien und -Initiativen der Zielunternehmen und der Compliance-Modelle soll sicherstellen, dass neben dem Unternehmen nicht noch zusätzliche Reputations- und Haftungsrisiken übernommen werden. Allerdings existieren zu Art und Umfang der anzufordernden bzw. bereitzustellenden Informationen bisher noch keine einheitlichen Standards. Der Entwurf der EU-Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit (COM(2022) 71 final) versucht, der Fragmentierung der rechtlichen Rahmenbedingungen entgegenzuwirken. Aktuell bleibt es aber der Praxis überlassen, Standards herauszubilden.
Bei der Prüfung von ESG-Aspekten und damit verbundener Risiken ist also ein maßgeschneiderter, risikoadäquater Ansatz erforderlich. Die Relevanz zu prüfender Nachhaltigkeitsaspekte ist dabei unter anderem abhängig von der jeweiligen Branche, den konkreten Produkten und Dienstleistungen, der Unternehmensgröße, der Lieferkette und der Kundengruppe des Zielunternehmens. Die Prüfung sollte darüber hinaus Aufschluss geben über die Bestimmung des langfristigen Unternehmenswertes des Zielunternehmens und die Auswirkungen auf das akquirierende Unternehmen, insbesondere in Bezug auf einen möglichen Verbesserungsbedarf bei der ESG-Compliance des Zielunternehmens oder die Integration der ESG-Compliance in das akquirierende Unternehmen.
Bereits heute sind die Vertragsparteien verpflichtet, mögliche ESG-Risiken offenzulegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind im Rahmen von Unternehmenstransaktionen gesteigerte Aufklärungs- und Sorgfaltspflichten zu beachten. Danach trifft „jeden Vertragspartner die Pflicht, den anderen Teil über Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck des anderen vereiteln können und daher für seinen Entschluss von wesentlicher Bedeutung sind, sofern er die Mitteilung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Vertragsanschauung redlicherweise erwarten darf“ (BGH, 01.02.2013 – V ZR 72/11). Bestand und Umfang der Aufklärungspflichten hängen in hohem Maße von den Umständen des Einzelfalls ab. Das bedeutet, dass insbesondere Verkäufer ein gesteigertes Augenmerk auf ein mögliches Verschweigen sowie sog. „Aussagen ins Blaue hinein“ zu richten haben, da beides eine Vorsatzhaftung begründen kann.
Mit dem ab 2024 schrittweisen Inkrafttreten der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) stehen detaillierte gesetzliche Standards für berichtspflichtige Unternehmen zur Verfügung, die unter anderen Berichtspflichten zu Klimawandel (ESRS-E1), Arbeitskräften in der Wertschöpfungskette (ESRS-S2) oder Unternehmensführung (ESRS-G1) enthalten. Darüber hinaus sind Unternehmen verpflichtet, regelmäßig eine Sustainability Due Diligence durchzuführen, die im M&A-Kontext als Grundlage für die Bewertung von ESG-Risiken dienen kann.
Gleichwohl werden ESG-Aspekte verbleiben, deren Risiken sich trotz einer umfangreichen ESG-Due Diligence nicht so konkret prognostizieren lassen, um tatsächlich im Kaufpreis abgebildet werden zu können.
Gegenwärtige und potenzielle ESG-Risiken können durch haftungsverteilende Regelungen im Unternehmenskaufvertrag unter Berücksichtigung des relevanten Hard und Soft Law gesteuert werden.
Earn-Out-Klauseln
Differenzen zwischen Verkäufer und Käufer über die Bewertung der Zielgesellschaft können beispielsweise mit Earn-Out-Klauseln geregelt werden, etwa um die Auswirkung vorgenommener ESG-Maßnahmen zur Steigerung der Rentabilität zu messen oder wie sich das Erreichen einer Klimazertifizierung positiv auf den Ertrag der Zielgesellschaft auswirkt.
Die Vertragsparteien vereinbaren dabei, dass ein Teil der Unternehmenskaufpreises in Abhängigkeit des künftigen wirtschaftlichen Erfolgs der Zielgesellschaft geschuldet wird, beispielsweise wenn nach Ablauf einer bestimmten Periode bestimmte Kenngrößen (Key Performance Indicators – KPIs) erreicht werden. Diese Klauseln sind allerdings regelmäßig im Detail mit schwierigen Auslegungsfragen verbunden und daher besonders streitanfällig. Insbesondere dürfte schwierig nachzuweisen sein, dass bestimmte ESG-Maßnahmen für einen bestimmten finanziellen (Teil-)Erfolg ursächlich sind oder zu quantifizieren sein, in welcher Höhe der Unternehmenswert durch das Erreichen eines Meilensteins steigt.
Garantien
Garantien (Warranties) im Sinne selbständiger Garantieversprechen nach § 311 Abs. 1 BGB wird der Käufer insbesondere dann verlangen, wenn er sich gegen mögliche Risiken, von denen er im Rahmen der Due Diligence noch keine Kenntnis erlangt hat, absichern möchte.
Garantien zur Rechtskonformität (Compliance with Laws) dürften zwar in den meisten Fällen eine Bezugnahme auf für die Zielgesellschaft bindendes Recht (Hard Law) bedeuten. Allerdings sollte aufgrund der hohen Bedeutung des Soft Laws bei der Klauselformulierung darauf geachtet werden, dass Verweise auf einbezogene Standards bzw. Regelungen diese eindeutig konkret bezeichnen und klargestellt wird, dass für die Zwecke des Unternehmenskaufvertrags in Bezug genommene Standards als für die Zielgesellschaft verbindlich angesehen werden.
Selbstverpflichtungen des Zielunternehmens, z.B. auf den „Schutz gesunder Ökosysteme“, „faire Arbeitsbedingungen“ oder „Offenlegung von Informationen“ begründen nach der herrschenden Meinung keine rechtlichen Einstandspflichten des Unternehmens gegenüber Dritten. Verkäufer dürften diesbezüglich kein Garantieversprechen abgeben wollen, um eine Einstandspflicht zu vermeiden.
Anders liegt der Fall bei Garantien zu Rechtsstreitigkeiten. Die üblicherweise in M&A-Verträgen verwendeten Klauseln dürften so allgemein formuliert sein, dass auch das Risiko sog. „Klimaklagen“ umfasst ist. Gegenebenfalls könnte die Regelung entsprechend ergänzt werden, dass Klimaklagen nicht angedroht und auch sonst nicht zu erwarten sind.
Freistellungen
Sind in der Due Diligence konkrete ESG-Risiken bekannt geworden, über deren tatsächliche Realisierung bzw. deren Höhe des eintretenden Nachteils noch Unklarheit besteht, wird der Käufer üblicherweise eine Freistellung (Indemnity) verlangen. Um Streitigkeiten zu vermeiden, sind daher der den Freistellungsanspruch auslösende Schadensfall und die damit ausgelösten Rechtsfolgen möglichst präzise zu beschreiben.
Versicherungsklauseln
Schadensersatzforderungen aufgrund der Nichteinhaltung von ESG-Kriterien durch die Zielgesellschaft können von den Transaktionsbeteiligten auch durch Warranty&Indemnity-Versicherungen – üblicherweise als Käuferpolice – auf Dritte, d.h. Transaktionsversicherer, verlagert werden, sofern eine entsprechende Garantie (siehe oben) vereinbart wurde. Dies umfasst in der Regel Garantien in Bezug auf die Einhaltung kodifizierter ESG-Standards. Ansprüche aus der Verletzung nicht kodifizierter Nachhaltigkeitsvorgaben sowie vorvertraglicher Aufklärungspflichten des Verkäufers werdenin der Regel hingegen nicht abgedeckt ebenso wie identifizierte, konkrete ESG-Risiken. Letztere lassen sich aber durch eine Contigent-Liability-Versicherung abdecken, sofern die Realisierung des i.d.R. rechtlichen Risikos nicht wahrscheinlich und der potenzielle Schaden für den Versicherer zwar groß, aber kalkulierbar ist. Eine derartige Spezialversicherung wird im Einzelfall für das jeweilige Spezialrisiko formuliert. Aufgrund der zunehmenden Kodifizierung bestimmter ESG-Standards ist mit einer Zunahme an Contingent-Liability-Policen zu rechnen.
Alternativ können typische M&A-Klauseln in Form von Versicherungsklauseln die gleiche ökonomische Funktion erfüllen wie Versicherungen, z.B. Deductibles oder Baskets, Caps, Co-insurance, Claims Periods and Related Procedural Provisions.
Material Adverse Change (MAC) und Material Adverse Events (MAE)
Unscharfe und schwer messbare ESG-Kriterien spielen im Rahmen von MAC/MAE-Klauseln typischerweise keine Rolle. Denn diese Klauseln stellen auf eine wesentliche Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Zielgesellschaft ab, die aus beliebigen Veränderungen und Ereignissen resultieren kann.
Wird allerdings der Eintritt eines bestimmten nachhaltigkeitsbezogenen Ereignisses zur Vollzugsvoraussetzung gemacht, wie bspw. die Herabstufung des ESG-Ratings oder eine negative Medienberichterstattung, führt dies für den Verkäufer zu erheblichen Unsicherheiten mit der Folge einer hohen Streitanfälligkeit. Hier sollten die Parteien ergänzend einen Streitschlichtungsmechanismus (siehe unten) vereinbaren.
Streitbeilegungsklauseln
Für den Fall, dass sich Streit nicht vermeiden lässt, ist die Vereinbarung eines geeigneten Streitbeilegungsmechanismus sinnvoll. Vereinbart werden könnten Verfahren vor spezialisierten staatlichen Gerichten oder geeignete Verfahrensregeln einer Schiedsinstitution, mittels dieser man sachverhaltsbezogen und unter Berücksichtigung der individuellen Gegebenheiten eine schnelle und sachgerechte Lösung erreichen kann. Schematische Lösungen werden sich hier nicht anbieten. Vielmehr wird man die möglicherweise auftretenden Risiken und Meinungsverschiedenheiten antizipieren und sodann nach Möglichkeit materiell-rechtlich (bspw. über pauschalisierten Schadensersatz bei Reputationsschäden) oder aber spezielle Streitbeilegungsmechanismen adressieren müssen.
Die Realisierung von Nachhaltigkeitsrisiken im Rahmen von Unternehmenskaufverträgen dürfte zukünftig vermehrt zu Rechtsstreitigkeiten führen. Problematisch erweisen sich die fragmentierte Kodifizierung von ESG-Standards, Schwierigkeiten der Quantifizierbarkeit von ESG-Faktoren und eine sich schnell und dynamisch wandelnde transnationale Regelungslandschaft. Um Streitigkeiten in Bezug auf ESG-Risiken zu vermeiden, müssen Unternehmenskaufverträge unter Berücksichtigung der relevanten ESG-bezogenen Regelungen gestaltet werden. Für die Lösung ESG-bezogener Auseinandersetzungen sollte man im Rahmen der Vertragsgestaltung auf einen geeigneten Streitbeilegungsmechanismus achten. Zu beobachten wird sein, welche weiteren Gesetzinitiativen und Standards in Bezug auf ESG-Risiken künftig auf den Weg gebracht werden.
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Ein Auslandsbezug im Sinne der EuGVVO liegt vor, wenn sich zwei in demselben EuGVVO-Mitgliedstaat wohnhafte Parteien im Rahmen einer Gerichtsstandsvereinbarung auf die internationale Zuständigkeit der Gerichte eines anderen EuGVVO-Mitgliedstaats verständigt haben.
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Künstliche Intelligenz (KI) wirft zahlreiche Rechtsfragen des geistigen Eigentums (IP) auf, insbesondere bei generativen KI-Systemen (GenAI), die Algorithmen zur Erzeugung neuer Inhalte verwenden. Dieser Artikel untersucht die wichtigsten IP-Probleme im Zusammenhang mit GenAI-Systemen aus der Perspektive der Streitbeilegung und der Prozessführung in Deutschland.
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