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Die Kunst des Streitens
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Publikation | September 2018
Das derzeitige Marktumfeld meint es gut mit Gründern: Hohe Liquidität im Markt und die gute Wirtschaftslage erleichtern das Fundraising bei gleichzeitig hohen Bewertungen. Parallel dazu hat sich in den letzten zwei bis drei Jahren auch die generelle Verhandlungsposition der Gründer gegenüber potentiellen Investoren deutlich verbessert. Gründe hierfür sind zum einen der allgemein hohe Anlagedruck professioneller VC Geber und zum anderen der Eintritt zahlreicher neuer Akteure im Segment Business Angel und Corporate VC.
Doch auch wenn das erste Fundraising für das eigene Geschäftsmodell unter besten Vorzeichen steht, sollten Gründer dringend einige grundlegende Weichenstellungen bei Gründung und Frühphasenfinanzierung beachten.
“A start-up messed up at its foundation cannot be fixed.” (Peter Thiel)
Unsere „Top ten Dos and Don‘ts bei Gründung und Frühphasenfinanzierung“ haben wir euch daher zusammengefasst:
Im Rahmen der Gründung müssen sich die Gründer entscheiden, ob sie sich direkt (einstufige Struktur oder one-tier structure) oder indirekt über eine vom jeweiligen Gründer gehaltene Beteiligungsgesellschaft (zweistufige Struktur oder two-tier structure) an ihrem Start-up beteiligen. Ein „richtig“ oder „falsch“ gibt es hier nicht, jedoch sollten sich Gründer der Vor- und Nachteile der jeweiligen Struktur bewusst sein. Für eine zweistufige Struktur sprechen dabei insbesondere steuerliche Vorteile bei Gewinnausschüttungen und Exit. Demgegenüber stehen leicht höhere Einmalkosten bei der Gründung und die geringfügigen laufenden Administrationskosten der zwischengeschalteten Gesellschaft. Für eine direkte Beteiligung der Gründer – d. h. eine einstufigen Struktur – sprechen demnach die geringe Komplexität und ein gewisser Kostenvorteil. Im Ergebnis sollten sich die Gründer frühzeitig über steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten Gedanken machen, da eine spätere (Um-) Strukturierung in der Regel deutlich aufwendiger sein dürfte und einzelne Optionen insgesamt wegfallen.
Soweit sich mehr als nur ein einzelner Gründer an einem Start-up beteiligt, ist die vertragliche Einigung über eine wirksame Vesting-Klausel im eigenen Interesse der Gründer dringend geboten. Vesting Regelungen dienen dazu, die Gründer in der Aufbauphase des Unternehmens an Bord zu halten; verlässt ein Gründer das Unternehmen als Mitarbeiter, so verliert er auch (ganz oder teilweise) seine Unternehmensanteile. Sinnvolle Vesting-Regeln sind dabei nicht nur im Interesse von Investoren; sie sollten vielmehr im eigenen Interesse der Gründer und der Finanzierbarkeit des Start-ups selbst vereinbart werden. Scheidet zum Beispiel einer von anfangs drei gleichberechtigten Gründern aus dem Start-up als Mitarbeiter aus und behält seine Anteile, wird es für das Start-up und die verbleibenden beiden Gründer schwer bis unmöglich, VC Geber zu finden. Bei der konkreten Ausgestaltung der Vesting-Klauseln (Gesamtdauer, zeitliche Hürden (Cliff), Abfindungsregelungen, etc.) haben sich klare Marktstandards entwickelt, in deren Rahmen sich die Gründer bewegen sollten. Zur Wirksamkeit der Klauseln ist in der GmbH schließlich zu beachten, dass diese regelmäßig der notariellen Beurkundung bedürfen.
Die Rechte am geistigen Eigentum oder IP Rights bilden bei den meisten Start-ups den überwiegenden Teil des Unternehmenswertes. Deswegen legen potentielle Investoren im Rahmen ihrer Due Diligence auch ein besonderes Augenmerk auf diese Rechte, ihr Vorhandensein und ihren Umfang.
Daher sollten die Gründer von Beginn an eine IP-Strategie entwickeln und umsetzen, d. h. insbesondere klären, welche gewerblichen Schutzrechte für das Unternehmen relevant sind und wie sie geschützt werden können. Außerdem ist sicherzustellen, dass das Start-up sämtliche neu geschaffene IP, bzw. umfassende Nutzungsrechte daran, erwirbt. Besondere Vorsicht ist bei der Nutzung von Open-Source-Software geboten. Schließlich sollte das Start-up mit allen wesentlichen Know-how-Trägern Vertraulichkeitsvereinbarungen schließen.
Ein recht einfach vermeidbarer Fehler passiert vielen Start-ups aber bereits im Rahmen der Gründung. Auf der Suche nach einem passenden Namen für das Produkt bzw. die Firma des Unternehmens werden häufig freie Domains gesichert, ohne gleichzeitig eine entsprechende Markenrecherche durchzuführen oder zu beauftragen. Stellt sich dann später heraus, dass der Name bereits durch Dritte genutzt oder als Marke registriert ist, muss die Suche nicht selten von vorne beginnen bzw. es droht die rechtliche Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen.
Die Wahl der Sprache bei Gründungsdokumentation und den ersten Finanzierungsverträgen sollte maßgeblich davon abhängig gemacht werden, wo das Start-up mit seinem Geschäftsmodell seine künftigen VC Geber vermutet.
Dabei sollten sich Gründer bewusst sein, dass mit einer breiten Basis potentieller Investoren höhere Bewertungen und größere Finanzierungsrunden erzielt werden können. Sind der oder die richtigen Investoren gefunden, muss es meist sehr schnell gehen. Eine für alle Parteien lesbare Vertragsdokumentation erleichtert sowohl den Prozess der Due Diligence als auch die Verhandlungen. Im Rahmen einer Finanzierungsrunde mit internationalen Investoren anzufangen, umfangreiche Dokumente ins Englische zu übersetzen, verursacht nicht nur zusätzliche Kosten sondern bindet wertvolle Ressourcen und kann vor allem zu nachteiligen Zeitverzögerungen bei der Finanzierungsrunde führen.
Anders formuliert: Mit einer englischsprachigen Dokumentation macht man im Hinblick auf künftige Finanzierungsrunden jedenfalls nichts falsch. Dennoch ist zu beachten, dass die im Handelsregister veröffentliche Satzung dann zwingend zweisprachig, d. h. auch in deutscher Sprache, anzufertigen ist; außerdem kann z. B. das Finanzamt im Einzelfall auszugsweise Übersetzungen verlangen.
Die Early-stage Finanzierung eines Start-ups hat in der Regel mit einer kaum lösbaren Frage zu kämpfen: „Was ist der faire Preis, zu dem der Kapitalgeber in das Start-up investiert?“ Dies hängt zum Beispiel damit zusammen, dass mangels Umsatz- und Gewinnhistorie und unklarem Kundenwachstum die Maßstäbe herkömmlicher Unternehmensbewertungen nicht greifen. Eigenkapitalfinanzierungsrunden in solch frühen Phasen sind daher nicht selten auch nachteilig für die Gründer, da Unklarheit zu einem erhöhten Risiko für den Investor und schlussendlich zu Abschlägen bei der Bewertung des Start-ups und erhöhter Verwässerung der Gründer führt.
Mit einem Wandeldarlehen lässt sich die Frage der Bewertung in die Zukunft verschieben. Der Business Angel oder andere Early-stage Investoren gewähren dem Start-up dabei ein Darlehen, das im Rahmen einer künftigen Eigenkapitalfinanzierungsrunde in Anteile an dem Start-up gewandelt werden kann. Die Wandlung erfolgt dabei meist auf Basis der Bewertung, die ein dritter Investor im Rahmen der Eigenkapitalfinanzierungsrunde akzeptiert hat. Üblicherweise erhält der Darlehensgeber aber einen Discount auf diese Bewertung, da er durch seinen früheren Einstieg mehr Risiko getragen hat.
Im Detail werden dem Darlehensgeber bei Wandeldarlehensverträgen häufig noch weitere Rechte (z. B. Informationsrechte) eingeräumt. Die größte Relevanz aus Sicht der Gründer sollten allerdings die Wandlungsbestimmungen haben. Um die künftige Finanzierbarkeit nicht zu gefährden, sollte ein unfreiwilliger Mittelabfluss aufgrund Rückzahlungsverpflichtung des Darlehens vermieden werden; dazu sollte der Vertrag neben dem Wandlungsrecht auch eine Wandlungspflicht des Darlehensgebers vorsehen. Zudem sollte sich der Wandeldarlehensgeber verpflichten, der mit dem künftigen Investor verhandelten Beteiligungs- und Gesellschaftervereinbarung beizutreten.
Die wichtigste Regel für den Cap Table lautet: Keep it short!
Mit der Zahl der Gesellschafter wachsen in jedem Unternehmen nicht nur der administrative Aufwand sondern auch die Risiken von Streitigkeiten, da auch kleine Gesellschafter gewisse Mitsprache-, Informations- und Auskunftsrechte besitzen. Daher sollte das Start-up dringend vermeiden, in einer frühen Phase bereits viele kleine Family & Friends Investoren oder selbsternannte Business Angels mit echten Anteilen an Bord zu holen. Im schlimmsten Fall riskiert das Start-up damit seine künftige Finanzierbarkeit oder jedenfalls Attraktivität für professionelle VC Geber.
Das bedeutet aber keineswegs, dass kleinere Investoren, Mitarbeiter oder sonstige Stakeholder nicht am Erfolg des Unternehmens beteiligt werden können. Gängige Möglichkeiten sind neben dem zuvor dargestellten Wandeldarlehen vor allem sog. virtuelle Anteile oder Optionen (meist unter dem Begriff „ESOP“ zusammengefasst) sowie die Möglichkeit, kleinere Investoren zu poolen. Gerade bei letzterem ist allerdings dringend geboten, Rat von einem Experten einzuholen, da ein Pooling von Investoren zahlreiche Fallstricke aufweist.
Das Thema künftige Finanzierbarkeit haben wir oben schon mehrfach angesprochen. So kann die künftige Finanzierbarkeit beispielweise durch (i) einen ausgeschiedenen Gründer ohne wirksam vereinbartes Vesting, (ii) ein Start-up ohne die behaupteten IP Rights, (iii) ein Wandeldarlehen ohne Wandlungspflicht oder (iv) durch einen nicht mehr für administrierbar gehaltenen oder zerstrittenen Gesellschafterkreis wesentlich erschwert sein.
Darüber hinaus sollten sich Gründer und Early-stage Investoren bewusst sein, dass alles, was sie im Rahmen der Frühphasenfinanzierung in der Beteiligungs- und Gesellschaftervereinbarung vereinbaren, Grundlage für künftige Finanzierungsrunden bildet. Als Faustregel gilt dabei: Später hinzukommende Investoren verlangen mindestens die gleichen Vorzugsrechte wie die Investoren der früheren Phase(n). Mit Vorzugsrechten sind dabei z. B. Liquidationspräferenzen, Gewinnvorzüge, Nachbewertungsklauseln (oft als anti-dilution oder downround protection bezeichnet) oder Vorerwerbsrechte gemeint. Diesen, durchaus üblichen, Vorzugsrechten ist gemein, dass sie zulasten der Gründer gehen; allerdings sollten Gründer wissen, dass es für diese typischen Investorenrechte unterschiedlich scharfe Ausgestaltungsvarianten gibt. In frühen Runden sollten Gründer und Investoren vermeiden, zu investorenfreundliche Ausgestaltungsvarianten dieser Vorzugsrechte zu akzeptieren, da dies in späteren Runden schnell zu einer erheblichen wirtschaftlichen Benachteiligung der Gründer und schlussendlich Demotivation des Gründerteams führen kann. Auch die Investoren sollten schließlich ein Interesse an einem hochmotivierten Gründerteam haben.
Auch für eine Frühphasenfinanzierung werden Gründer und Investoren ihre kommerzielle Einigung regelmäßig in einem Term Sheet festhalten. Das Term Sheet dient dabei als Leitschnur für die Ausarbeitung und Detailverhandlung der verbindlichen Vertragsdokumentation – meist bestehend aus Beteiligungs- und Gesellschaftervereinbarung, Satzung, Geschäftsordnungen für Geschäftsführung und Beirat, Geschäftsführerverträgen, etc. – und kann, je nach Geschmack des Investors, einen sehr unterschiedlichen Umfang haben.
Da das Term Sheet rechtlich nicht bindend ist (meist mit Ausnahme von Vereinbarungen zu Vertraulichkeit, Exklusivitätsperiode oder Kostentragung), hört man immer wieder von Gründern, die dessen grundlegende Bedeutung unterschätzen. Grundlegende Nachverhandlungen der in einem Term Sheet vereinbarten Parameter sind de facto kaum möglich und können zum Abbruch der Verhandlungen führen, nicht selten mit einer Kostenübernahmepflicht des Start-ups für die Due Diligence Kosten des potentiellen Investors. Gründer sollten also genau verstehen, was sich hinter jedem der im Term Sheet verwendeten Begriffe verbirgt und welche Kompromisslösungen man im Rahmen der Verhandlungen erreichen kann. Ein kurzer Anruf bei einem VC Experten kann da schon helfen, um aus einem „full ratchet“ eine „broad-based weighted-average anti-dilution protection“ oder aus einer „participating liquidation preference“ eine „non-participating liquidation preference“ zu machen.
Mit Einigung über ein Term Sheet wird der potentielle Investor regelmäßig mit einer Due Diligence Prüfung über die rechtlichen, finanziellen, steuerlichen und kommerziellen Aspekte des Start-ups beginnen wollen. Enthält das Term Sheet nicht bereits eine bindende Vertraulichkeitsvereinbarung, so sollten Gründer vor Übermittlung der Due Diligence Unterlagen auf den Abschluss einer solchen bestehen.
Umfang und Detailtiefe der Due Diligence Prüfung sind bei einer Frühphasenfinanzierung bis zu einem niedrigen einstelligen Millionenbetrag vergleichsweise gering. Dennoch kann es zu einer echten Belastungsprobe für die begrenzten Ressourcen des Start-ups kommen. Denn vom Start-up wird erwartet, alle relevanten Dokumente in einer sinnvollen Struktur kurzfristig in einem virtuellen Datenraum zur Verfügung zu stellen und Rückfragen zügig zu beantworten.
Gründer sind demzufolge gut beraten, von Beginn an auf eine saubere Dokumentation ihrer Geschäfte zu achten und diese entsprechend zu pflegen. Ein Start-up, das, plakativ gesprochen, erst die in zahlreichen Schuhkartons gesammelten Dokumente zusammensuchen, sichten, strukturieren und digitalisieren muss, macht auf den Investor bereits beim Erstkontakt einen schlechten und unorganisierten Eindruck und führt schlimmstenfalls dazu, dass der Investor genervt wieder abspringt.
Wir hoffen, mit den zuvor dargestellten TOP 9 Dos and Don’ts, Start-ups und ihren Gründern ein paar praktische Tipps mit auf den Weg zu geben. Im jeweiligen Einzelfall kann es natürlich immer gute Gründe geben, von diesen abzuweichen; gleichsam können die Hinweise und Tipps individuellen Rat durch einen spezialisierten Rechtsanwalt nicht ersetzen.
Gute Beratung stellt sich bei den meisten Start-ups als durchaus lohnendes Investment und wichtiger Baustein für die Finanzierbarkeit und Erfolg des Unternehmens heraus. So verwundert es nicht, dass professionelle Seed Investoren sogar darauf bestehen, dass das Start-up bzw. seine Gründer professionelle Rechtsberatung im Rahmen einer Finanzierungsrunde einholen.
Dieser Artikel wurde am 9. Juli 2018 zuerst auf Energieloft.de veröffentlicht.
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