Persönlicher Anwendungsbereich
Das HinSchG schützt in persönlicher Hinsicht nicht nur Arbeitnehmer, sondern auch Stellenbewerber, Praktikanten, Mitarbeiter von Drittunternehmen (wie Lieferanten oder Geschäftspartner), welche im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben und diese an eine interne oder externe Meldestelle melden bzw. offenlegen (Hinweisgeber). Daneben werden auch Personen geschützt, die Gegenstand einer Meldung oder Offenlegung sind oder von einer solchen betroffen sind.
Unter den persönlichen Anwendungsbereich fallen jedoch nur diejenigen Hinweisgeber, die Informationen über Verstöße an die nach dem HinSchG vorgesehenen internen oder externen Meldestellen melden. Folglich fallen beispielsweise Arbeitnehmer, die Informationen über Verstöße nicht an die eingerichteten internen oder externen Meldestellen, sondern lediglich z.B. an die Personalabteilung oder den Betriebsrat melden, nicht unter den Anwendungsbereich des HinSchG. Im vorgenannten Fall dürfte eine spätere Einbeziehung des betreffenden Arbeitnehmers in den Schutzbereich des HinSchG durch eine nachträgliche Meldung an die eingerichteten Meldestellen eher problematische sein.
Sachlicher Anwendungsbereich
Der sachliche Anwendungsbereich (§ 2 HinSchG) umfasst einen abschließenden Katalog an Schutzgütern, wobei nur Rechtsvorschriften erfasst werden. Unethisches oder unmoralisches Verhalten ist nicht umfasst. Zu den Rechtsvorschriften zählen insbesondere die Meldung oder Offenlegung von Informationen über Verstöße gegen Strafvorschriften und bußgeldbewehrten Verstößen, soweit die verletzte Vorschrift dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Arbeitnehmern und deren Vertretungsorganen dient (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 HinSchG). Hierzu zählen Vorschriften des individuellen Arbeitsrechts (z.B. MiLoG, AGG, AÜG) und dem kollektiven Arbeitsrecht (z.B. Nichtbeachtung von Unterrichtungspflichten des Betriebsrates beispielsweise im Zuge einer Betriebsänderung, § 121 BetrVG). Verstöße gegen Betriebsvereinbarungen oder unternehmensinterne Compliance-Regelungen sind nicht erfasst.
Daneben sind auch Meldungen oder Offenlegungen von Verstößen gegen bestimmte Vorschriften des EU- und Bundesrechts (z.B. Kartellrecht, Umweltrecht oder Vorschriften zur Produktsicherheit) geschützt.
Natürlich steht es Arbeitgebern offen, ihren Arbeitnehmern über die internen Meldekanäle auch die Meldungen von einfachen Compliance- oder arbeitsvertraglichen Verstößen zu ermöglichen, die gerade nicht die vorgenannte Qualität haben. In diesem Fall sollte jedoch ein ausdrücklicher Hinweis erfolgen, dass derartige Meldungen nicht vom Schutzbereich des HinSchG umfasst sind.
Einrichtung und Organisation einer internen Meldestelle
Das HinSchG richtet sich grundsätzlich an alle Arbeitgeber, unabhängig von ihrer Größe. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Einrichtung einer sicheren und zuverlässigen internen Meldestelle bis zum 17. Dezember 2023 besteht für Unternehmen mit in der Regel mindestens 50 Beschäftigten. Größere Unternehmen mit 250 und mehr Beschäftigten müssen diese Vorgaben bereits seit dem Inkrafttreten des HinSchG umsetzen; spätestens ab dem 1. Dezember 2023 drohen nun aber Bußgelder bei einem Verstoß (§ 40 Abs. 2 Nr. 2, § 42 Abs. 2 HinSchG). Wer in die Berechnung der Beschäftigtenanzahl einzubeziehen ist, bestimmt sich nach § 3 Abs. 8 HinSchG. Zu beachten ist beispielweise, dass Teilzeitarbeitnehmer hier voll und nicht nur anteilig berücksichtigt werden. Unabhängig von ihrer Beschäftigtenzahl gilt die Pflicht zur Einrichtung einer internen Meldestelle für alle in § 12 Abs. 3 HinSchG genannten Unternehmen (bspw. Wertpapierdienstleistungsunternehmen, Datenbereitstellungsdienste etc.).
Für die Einrichtung einer internen Meldestelle kann nach § 14 Abs. 1 HinSchG entweder beim Beschäftigungsgeber selbst eine Arbeitseinheit gebildet werden oder indem ein Dritter mit den Aufgaben einer internen Meldestelle betraut wird. Der Arbeitgeber wird jedoch in jedem Fall verpflichtet, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um den Verstoß abzustellen.
Einige Regelungen zur Ausgestaltung von internen Meldekanälen enthält § 16 HinSchG. Diese Vorschrift stellt insbesondere – für viele Arbeitgeber überraschend – klar, dass die eingerichteten Meldekanäle keine anonyme Hinweisgebung ermöglichen müssen.
Bei der Ausgestaltung der internen Meldestellen muss auch das gesetzlich vorgeschriebene Verfahren zum Umgang mit internen Meldungen beachtet werden (§ 17 HinSchG). Demnach muss dem Hinweisgeber der Eingang seiner Meldung nach spätestens sieben Tagen bestätigt werden. Zudem muss die Meldestelle umgehend die Stichhaltigkeit der eingegangenen Meldung überprüfen und dem Hinweisgeber innerhalb von drei Monaten nach der Eingangsbestätigung eine Rückmeldung zum aktuellen Stand geben. In diesem Zusammenhang kann die interne Meldestelle die Untersuchung auch an eine Behörde zur weiteren Untersuchung weiterleiten oder das Verfahren aus Mangel an Beweisen einstellen (§ 18 HinSchG).
Bei der Ausgestaltung der internen Meldestellen spielt auch der Datenschutz eine wichtige Rolle. Zunächst schützt das hinweisgeberschutzrechtliche Vertraulichkeitsgebot die Identitäten von Hinweisgebern und von Personen, die Gegenstand der Meldung sind, sowie von in der Meldung genannten Personen. Diese Identitäten dürfen ausschließlich den Personen bekannt werden, die für die Entgegennahme von Meldungen oder für das Ergreifen von Folgemaßnahmen zuständig sind, sowie den sie bei der Erfüllung dieser Aufgaben unterstützenden Personen (§ 8 Abs. 1 S. 2 HinSchG). Darüber hinaus sei insbesondere auf Aspekte wie die Informationspflichten an die betroffene Person (Art. 14 DSGVO), die Einhaltung von Löschfristen (§ 11 Abs. 5 HinSchG) oder technische Maßnahmen zum Schutz der Daten hingewiesen. Der betriebliche Datenschutzbeauftragte ist bei der Einrichtung zu beteiligen.
Wird eine Meldestelle im Unternehmen selbst errichtet, hat diese unabhängig zu sein. Dies umfasst bspw. die Vorgabe, dass Meldeaufgaben grundsätzlich nicht per Direktionsrecht oder Versetzung übertragen werden können. Denkbar ist jedoch, die Meldestelle in die Compliance-Abteilung zu integrieren, sofern diese organisatorisch und personell abgegrenzt ist (§ 16 Abs. 2 HinSchG) und mithin nur die unterstützenden Arbeitnehmer Zugriff auf die eingehenden Meldungen haben.
Zu beachten ist, dass das Meldeverfahren nach dem HinSchG parallel zum Beschwerdeverfahren des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (§ 8 LkSG), des Arbeitsschutzgesetzes
(§ 17 Abs. 2 S. 2 ArbSchG) und den Beschwerden zum Betriebsrat (§ 84 BetrVG) besteht. Meldeverfahren in besonders sensiblen Wirtschaftsbereichen (§ 4 Abs. 1 HinSchG) gehen allerdings als lex specialis dem HinSchG vor. Lediglich soweit diese spezifischen Regelungen keine Vorgaben machen, gelten die Bestimmungen des HinSchG (§ 4 S. 2 HinSchG).
Einbindung des Betriebsrats
Da die Einrichtung einer internen Meldestelle für Unternehmen mit in der Regel mindestens 50 Beschäftigten gesetzlich vorgeschrieben ist, besteht bezüglich der Einrichtung kein betriebsverfassungsrechtliches Mitbestimmungsrecht. Dem Betriebsrat kommt jedoch ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Nr. 1 BetrVG in dem Umfang zu, in dem das HinSchG dem Arbeitgeber einen Gestaltungsspielraum lässt, d.h. bei der Ausgestaltung und Organisation der internen Meldestelle. Auch die personelle Besetzung der Meldestelle sowie die Einführung einer technischen Überwachung können Mitbestimmungsrechte auslösen.
Meldestellen im Konzernverbund
Nach dem HinSchG ist es grundsätzlich möglich, in einem Konzernverbund bei (lediglich) einem Unternehmen eine konzernweit tätige Meldestelle einzurichten. Dies war in der Hinweisgeberrichtlinie nicht vorgesehen und entspricht auch weiterhin nicht der Auffassung der EU-Kommission (vgl. BT-Drs. 20/3442, Ziffer III 1.a). Die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens der EU-Kommission gegen Deutschland erscheint gleichwohl eher unwahrscheinlich und mithin auch das Risiko, dass Unternehmen, die ihre internen Meldestellen unter Berücksichtigung des gesetzlichen normierten Konzernprivilegs eingerichtet haben, erneut tätig werden müssen.
In jedem Fall muss im Zusammenhang mit einer konzernweit tätigen Meldestelle beachtet werden, dass den Hinweisgebern keine zusätzlichen Hürden auferlegt werden, insbesondere muss eine Meldung in der im lokalen Unternehmen vorherrschenden Sprache möglich sein und der Hinweisgeber muss sich sicher sein können, dass die Vertraulichkeit – zugunsten der meldenden Person als auch zugunsten der Personen, die Gegenstand einer Meldung sind oder in einer Meldung genannt werden (§ 8 HinSchG) – gewährleistet wird.
Risiko externer Meldung und Offenlegung von Informationen
Nach dem HinSchG können Hinweisgeber grundsätzlich frei wählen, ob sie sich mit ihrer Meldung an eine interne oder an eine externe Meldestelle, beispielsweise an das Bundesamt für Justiz, die BaFin oder das Bundeskartellamt, wenden (§ 7 HinSchG). Die externen Meldestellen können die gemeldeten Informationen zum Zwecke weiterer Untersuchungen an eine zuständige Behörden weitergegeben
(§ 29 Abs. 2 Nr. 4, § 30 HinSchG).
Nach den gesetzlichen Regelungen ist die Offenlegung von Informationen gegenüber der Öffentlichkeit für den Hinweisgeber nur ultima ratio und mithin nur erlaubt, wenn auch die vorangegangene Meldung nicht ausreichend berücksichtigt wurde (d.h. keine Folgemaßnahmen ergriffen wurden bzw. der Hinweisgeber keine Rückmeldung zur Maßnahmenergreifung erhalten hat,
§ 32 Abs. 1 Nr. 1 HinSchG). Eine sofortige Offenlegung ist nach den gesetzlichen Vorschriften hingegen erlaubt, wenn ein Verstoß mit besonderen Gefahren für die Allgemeinheit verbunden ist
(§ 32 Abs. 1 Nr. 2 HinSchG).
Um externe Meldungen und damit ggfs. einhergehende Reputationsschäden zu vermeiden, sollten Arbeitgeber darauf achten, ein möglichst verständliches sowie gut funktionierendes internes Hinweisgebersystem einzurichten, damit Hinweisgeber dieses auch niedrigschwellig nutzen können und idealerweise zunächst eine interne Aufarbeitung ermöglicht wird.
Schutz des Hinweisgebers vor Repressalien
Hinweisgeber unterliegen gemäß § 33 HinSchG einem Repressalienschutz (inklusive deren Androhung und Versuch), sofern (i) die interne oder externe Meldung bzw. eine Offenlegung wie vorliegend beschrieben erfolgte, (ii) der Hinweisgeber zum Zeitpunkt der Meldung davon ausgehen konnte, dass die gemeldeten oder offengelegten Informationen der Wahrheit entsprechen und (iii) die Informationen Verstöße betreffen, die in den Anwendungsbereich des HinSchG fallen. Folglich ist der Hinweisgeber nicht geschützt, wenn er sich die gemeldeten Informationen beispielsweise durch eine Straftrat verschafft hat (§ 35 Abs. 1 Hs. 2 HinSchG); er darf sich daher insbesondere keine Kenntnis durch für ihn verschlossene oder geschützte Daten verschaffen.
Zu den Repressalien gehören jedenfalls alle ungerechtfertigten Nachteile wie z.B. Kündigung, Versetzung, Herabstufung oder Versagung einer Beförderung. Aber auch die Aufgabenverlagerung, die Änderung des Arbeitsortes, die Versagung der Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen oder das arbeitgeberseitige Verhalten zum Zwecke der Einschüchterung oder des Mobbings können eine Repressalie darstellen.
Kommt es trotz des vorgenannten gesetzlichen Verbots zu einer rechtswidrigen Repressalie, sieht
§ 37 Abs. 1 HinSchG einen Schadensersatzanspruch für den Hinweisgeber vor. Umgekehrt ist der Hinweisgeber zum Schadensersatz verpflichtet, wenn die Meldung oder Offenlegung auf unrichtigen Informationen basiert (§ 38 HinSchG).
Darlegungs- und Beweislast zulasten des Arbeitgebers
Nach § 36 Abs. 2 HinSchG wird vermutet, dass – sofern ein Hinweisgeber nach oder im Zusammenhang mit seiner Meldung oder Offenlegung eine berufliche Benachteiligung erleidet – diese Benachteiligung eine Repressalie im Sinne dieses Gesetzes ist. Der Arbeitgeber kann diese Vermutung jedoch widerlegen, indem er darlegt, dass die benachteiligende Maßnahme nicht wegen der Meldung oder Offenlegung, sondern aus anderen, objektiv nachvollziehbaren Gründen erfolgte. Zudem kann der Arbeitgeber auch darlegen, dass die benachteiligende Person (z.B. HR-Mitarbeiter oder Vorgesetzter) keine Kenntnis davon hatte, dass die benachteiligte Person ein Hinweisgeber ist und die Repressalie somit gänzlich unabhängig davon verhängt wurde.
Sanktionen
Verstöße gegen die wesentlichen Regelungen des HinSchG werden als Ordnungswidrigkeiten geahndet. Als derartige Verstöße gelten insbesondere das Verhindern von Meldungen, das Ergreifen von Repressalien sowie die Verletzung der Vertraulichkeit der Identität hinweisgebender Personen
(§ 40 HinSchG).
Fazit: Einrichtung der internen Meldestelle und Auswirkungen auf die Vertragsgestaltung
Der Verpflichtung zur Einrichtung einer internen Meldestelle nach den vorgenannten Voraussetzungen sind sich Unternehmen (mit in der Regel mindestens 50 Beschäftigten) bereits seit dem Erlass der Hinweisgeberrichtlinie bewusst.
Daneben können sich die Vorschriften des HinSchG jedoch auch auf individualvertraglicher Ebene auswirken, da gemäß § 39 HinSchG Vereinbarungen, die die Rechte von Hinweisgebern beschränken, unwirksam sind. Nach den gesetzlichen Vorschriften zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen könnte eine Verschwiegenheitsklausel als intransparent (gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB) angesehen und damit insgesamt unwirksam angesehen werden, sofern die Klausel nicht ausdrücklich vorsieht, dass ein Verstoß gegen die Verschwiegenheitsverpflichtung erlaubt ist, um eine Mitteilung bei einer internen oder externen Meldestelle zu platzieren. Es bleibt zunächst abzuwarten, wie sich die Arbeitsgerichte in diesem Zusammenhang positionieren werden. Für bis zum Inkrafttreten des HinSchG abgeschlossene Verträge gilt aber jedenfalls Vertrauensschutz und damit kein Anpassungsbedarf.