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Deutschland | Publikation | November 2023
Der deutsche Rechtsberatungsmarkt ist durch die zunehmende Digitalisierung einem starken Wandel unterworfen und spätestens seit dem sog. Dieselskandal ist besonders der Bereich des kollektiven Rechtsschutzes in Bewegung geraten. So haben sich in den letzten Jahren vermehrt Anbieter von Legal Tech-Dienstleistungen etabliert, deren Geschäftsmodell darauf basiert, die kollektive Durchsetzung von Ansprüchen bei Massenschäden in verschiedenen (mittlerweile höchstrichterlich anerkannten) Sammelklage-Modellen zu betreiben. Oftmals ist auch eine Prozessfinanzierung Bestandteil des Angebots. Dabei übernehmen Prozessfinanzierer unter anderem die Anwalts- und Gerichtskosten für die Anspruchsinhaber und tragen somit das Kostenrisiko des Prozesses. Als Gegenleistung zahlt der Anspruchsinhaber im Erfolgsfall einen Anteil an dem erstrittenen Erlös, den er vom Anspruchsgegner erhält, an den Prozessfinanzierer. Die Höhe dieses Erfolgshonorars liegt in der Regel bei 20-30 %.
Im Rahmen dieser Prozesskostenfinanzierungskonzepte sind Kooperationen zwischen Rechtsanwälten und Prozessfinanzierern verbreitet. Darüber hinaus ist allerdings zu beobachten, dass sich mitunter Rechtsanwälte an Prozessfinanzierungsunternehmen beteiligen, die von ihnen betreute Mandate finanzieren. Inwiefern derartige Verflechtungen zulässig sind, soll im Folgenden beleuchtet werden.
Anders als in den USA, wo Anwälte häufig auf Erfolgsbasis arbeiten, ist es Rechtsanwälten in Deutschland grundsätzlich untersagt, mit ihren Mandanten Erfolgshonorare zu vereinbaren. Sie dürfen ihre Vergütung oder deren Höhe nicht vom Ausgang der Sache oder Erfolg der anwaltlichen Tätigkeit abhängig machen oder einen Teil des erstrittenen Betrages als Honorar erhalten.
Das Bundesverfassungsgericht erklärte im Jahr 2006 dieses generelle Verbot des Erfolgshonorars für mit der Berufsfreiheit unvereinbar und damit verfassungswidrig. Darauf reagierte der Gesetzgeber 2008 mit der Neufassung der Verbotsnorm des § 49 Abs. 2 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) und führte zudem in § 4a und § 4b Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) erstmalig Ausnahmen von dem Verbot ein.
Mit dem Ziel, den Verbraucherschutz zu stärken und es Rechtsanwälten zu ermöglichen, unter den gleichen Bedingungen Rechtsdienstleistungen anzubieten wie die Legal Tech-Unternehmen, schuf der Gesetzgeber mit dem sog. „Legal Tech“-Gesetz („Gesetz zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt“ vom 21. August 2021, BGBl. I S. 3415) weitere Ausnahmetatbestände, nach denen die Vereinbarung von Erfolgshonoraren in engen Einzelfällen möglich ist. Außerhalb dieser eng definierten Ausnahmen ist es jedoch zum Schutz der Unabhängigkeit der Rechtsanwälte (§ 43a Abs. 1 BRAO), im Interesse einer funktionierenden Rechtspflege und zum Schutz des Mandanten vor Benachteiligung beim Verbot der Vereinbarung von Erfolgshonoraren geblieben.
Ist ein Anwalt an einem Prozessfinanzierer beteiligt, der von ihm betreute Prozesse finanziert, erhält er im Falle des erfolgreichen Ausgangs indirekt einen Anteil an den durch die jeweiligen Prozessgegner zur Erfüllung der titulierten Ansprüche zu zahlenden Beträge. Dieser Betrag fließt dem Anwalt zusätzlich zu dem mit seinem Mandanten vereinbarten Honorar zu.
Nach der Rechtsprechung stellen diese zusätzlichen Rückflüsse („Kick-backs“) aus dem Erfolgsanteil des Prozessfinanzierers eine erfolgsabhängige Vergütung dar, deren Vereinnahmung gemäß § 49b Abs. 2 BRAO verboten ist, soweit die Voraussetzungen für die ausnahmsweise Zulässigkeit der Vereinbarung eines Erfolgshonorars nach § 4a RVG nicht vorliegen. Der mit der Verbotsnorm verfolgte Schutzzweck der Unabhängigkeit des Rechtsanwalts werde nicht nur dann gefährdet, wenn der Rechtsanwalt ausdrücklich ein Erfolgshonorar mit seinem Mandanten vereinbart. Ist ein Rechtsanwalt an einer Gesellschaft beteiligt, die die Prozessführung des eigenen Mandanten finanziert, sei hierdurch in gleicher Weise seine Unabhängigkeit gefährdet (so z. B. OLG München, Urt. v. 10.05.2012 – 23 U 4635/11).
Nach früherer Rechtsprechung führte das Dazwischenschalten eines Nichtanwalts (hier: Prozessfinanzierer) als unzulässige Umgehung des Verbots der Vereinbarung von Erfolgshonoraren zur Nichtigkeit des Prozessfinanzierungsvertrags zwischen Mandant und Prozessfinanzierer. Zur Begründung wurde die Stellung des Rechtsanwalts als unabhängiges Rechtspflegeorgan angeführt. Mit dieser Stellung sei nicht nur die Vereinbarung von Erfolgshonoraren, sondern auch die Vereinbarung einer Erfolgsbeteiligung an einem Prozessfinanzierer unvereinbar, an dem sich der prozessführende Anwalt beteiligt. Die in dieser Weise vereinbarte Prozessfinanzierung stelle ein die Verbotsnorm umgehendes und damit nichtiges Geschäft dar (z. B. KG Berlin, Urt. v. 05.11.2002 – 13 U 31/02 und OLG München, Urt. v. 10.05.2012 − 23 U 4635/11).
Der BGH entschied jedoch im Jahr 2014, dass eine Vergütungsvereinbarung zwischen Rechtsanwalt und Mandant auch bei Nichteinhaltung der Voraussetzungen für den Abschluss einer Erfolgshonorarvereinbarung wirksam bleibt und sich die Rechtsfolgen nach § 4b RVG richten, wonach der Rechtsanwalt sein Honorar nur noch bis zur Höhe der gesetzlichen Gebühren fordern kann.
Auf dieses Urteil des BGH reagierten die unterinstanzlichen Gerichte auch im Hinblick auf die Rechtsfolgen im Falle der Beteiligung eines Rechtsanwalts an einem Prozessfinanzierer. So entschied das Oberlandesgericht München 2015 in einem Fall, in dem die Gesellschafter einer Rechtsanwalts-GmbH als stille Gesellschafter an einem Prozessfinanzierer beteiligt waren, unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BGH, dass sich aus einem Verstoß gegen § 49b Abs. 2 BRAO eine Nichtigkeit des Prozessfinanzierungsvertrags nicht ergebe. Der Mandant könne jedoch von seinem Anwalt dasjenige herausverlangen, was der Anwalt über seine Beteiligung am Prozessfinanzierer als Erfolgshonorar vereinnahmt hat (OLG München, Urt. v. 31.03.2015 – 15 U 2227/14).
Ferner dürfte angesichts des Wortlauts des § 4b RVG davon auszugehen sein, dass in dieser Konstellation der Anwalt auf die gesetzliche Vergütung beschränkt ist. Hat dieser etwa mit seinem Mandanten ein Stundenhonorar vereinbart, das letztlich die gesetzliche Vergütung übersteigt, dürfte der Anwalt nicht nur seine über seine Beteiligung am Prozessfinanzierer erlangte Erfolgsvergütung, sondern zusätzlich die Differenz zwischen tatsächlich abgerechnetem Honorar und gesetzlicher Vergütung an den Mandanten herausgeben müssen.
Bislang ist es noch nicht Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen gewesen, ob das Verbot der Vereinbarung von Erfolgshonoraren nach deutschem Recht auch dann gilt, wenn im Ausland zugelassene Rechtsanwälte erfolgsbeteiligt sind, die gleichzeitig Partner der Kanzlei sind, die die Rechtsdurchsetzung in Deutschland betreibt.
Seit der „großen BRAO-Reform“ 2022 gelten die Berufspflichten auch für Kanzleien, in denen sich mehrere Rechtsanwälte zur Berufsausübung zusammengeschlossen haben („Berufsausübungsgesellschaften“). Grundsätzlich bedürfen diese nunmehr ebenfalls einer Zulassung durch eine Rechtsanwaltskammer und werden mit der Zulassung Mitglied der zulassenden Kammer. Damit wird der Realität des Rechtsdienstleistungsmarktes Rechnung getragen, auf dem anwaltliche Leistungen seit langem vermehrt von Berufsausübungsgesellschaften und nicht von Einzelanwälten angeboten werden.
Die Berufspflichten gelten auch für ausländische Gesellschaften wie die anglo-amerikanische Limited Liability Partnership (LLP), die über eine Zweigniederlassung Rechtsdienstleistungen in Deutschland erbringt. Dies ist nur dann erlaubt, sofern die Zweigniederlassung über in Deutschland zugelassene Rechtsanwälte verfügt und die Rechtsdienstleistungen zum deutschen Recht durch in Deutschland zugelassene Rechtsanwälte erbracht werden.
Beteiligt sich ein im Ausland als Rechtsanwalt zugelassener Partner einer in Deutschland zugelassenen Zweigniederlassung einer ausländischen LLP an einem Prozessfinanzierer, der die von der Zweigniederlassung in Deutschland betreuten Prozesse finanziert, stellt sich die Frage, inwieweit das deutschrechtliche Verbot der Vereinbarung von Erfolgshonoraren verletzt ist.
Da die Bindung an das deutsche Berufsrecht über die Kammerzugehörigkeit erfolgt, die Mitgliedschaft in einer Rechtsanwaltskammer untrennbar mit der aus ihr folgenden Unterwerfung unter das deutsche Berufsrecht verknüpft ist und auch ausländische Partner der deutschen Zweigniederlassung das deutsche Berufsrecht zu beachten haben, dürfte auch in diesem Fall ein Verstoß gegen das Verbot der Vereinbarung von Erfolgshonoraren vorliegen. Konsequenz dürfte somit auch hier sein, dass der Mandant nicht nur die Erfolgsbeteiligung von der Zweigniederlassung als seiner Vertragspartnerin zurückverlangen kann, die ein im Ausland zugelassener Partner über seine Beteiligung am Prozessfinanzierer vereinnahmt, sondern auch gezahltes Honorar auf Stundenbasis, sofern dieses die gesetzlichen Gebühren übersteigt.
Eine Gestaltung, bei der sich der Rechtsanwalt an einem Prozessfinanzierer beteiligt und somit letztlich an dem Ausgang des von ihm betreuten und mittelbar von ihm prozessfinanzierten Verfahrens über Rückflüsse aus dem Erfolgsanteil des Prozessfinanzierers partizipiert, stellt eine unzulässige Umgehung des Verbots von Erfolgshonoraren dar. Dies dürfte auch dann gelten, wenn ausschließlich im Ausland zugelassene Rechtsanwälte, die gleichzeitig Partner einer deutschen Zweigniederlassung einer ausländischen LLP sind, am Prozessfinanzierer beteiligt sind. In beiden Fällen hat der so das Berufsrecht umgehende Anwalt oder die Rechtsanwaltskanzlei verdeckt gezahlte Erfolgshonorare und ggf. über der gesetzlichen Vergütung liegende Honorare an den Mandanten herauszugeben.
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