90 Prozent Grenze
Die politische Einigung sieht nun eine Absenkung der 95 Prozent Grenze bei der Anteilsvereinigung und bei der Änderung des Gesellschafterbestandes einer Personengesellschaft auf 90 Prozent vor. Das klingt nicht so dramatisch wie die befürchtete Absenkung auf 75 Prozent oder 50 Prozent, die öffentlich diskutiert wurde und bei denen eine anteilige Grunderwerbsteuer vorgeschlagen war.
Hintergrund für die moderate Absenkung auf 90 Prozent dürfte sein, dass erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken geäußert wurden. Eine Steuer bei einem Share Deal mit 75 Prozent oder 50 Prozent Anteilsübertragung könnte nicht mehr als Grunderwerbsteuer, sondern als eine Art Kapitalverkehrssteuer angesehen werden. Die Ähnlichkeit der Besteuerungsgrundlagen im Vergleich zum Verkauf eines Grundstückes wäre nicht mehr hinreichend gegeben. Offenbar gehen die Länderfinanzminister davon aus, dass die verfassungsrechtlichen Bedenken bei einer Schwelle von 90 Prozent nicht gegeben sind. Ob dies allerdings wirklich zutreffend ist, wird wohl nur das Bundesverfassungsgericht klären können, wenn dies Steuerpflichtige angreifen.
10-Jahre Haltefrist
Der Vorschlag, die Haltefristen auf 10 Jahre zu verlängern, betrifft voraussichtlich in erster Linie die Regeln über die Änderung des Gesellschafterbestandes einer Personengesellschaft, die künftig also bereits bei einer Änderung von 90 Prozent des Gesellschafterbestandes innerhalb von 10 Jahren Grunderwerbsteuer auslöst. Allerdings ist zu befürchten, dass die Verlängerung der Haltefristen auch für die Ausnahmen von der Besteuerung für Personengesellschaften gelten soll.
Dies ist insgesamt eine signifikante Verschärfung. Das Einführen eines Zeitraums von 10 Jahren hat nichts mehr mit dem Stopfen von Schlupflöchern zu tun. Auch jedes normale Unternehmen, einschließlich dem noch so traditionellen Mittelständler, wird seine Strukturen typischerweise nicht über 10 Jahre unverändert lassen können. Dies ist somit kein Zeitraum, der für Anti-Steuerumgehungsmaßnahmen geeignet ist. Es bleibt zu hoffen, dass die Zeitspanne in der parlamentarischen Diskussion nochmal überdacht wird und entweder auf 7 Jahre reduziert oder aber für die Ausnahmen von der Besteuerung bei 5 Jahren belassen wird.
Zu befürchten ist außerdem, dass die Verlängerung der Haltefrist auf schon laufende 5-Jahreszeiträume angewendet werden kann. Ob dies so kommt und zulässig wäre, ist noch zu erörtern. Dies ist ein Thema für Käufer von 94,9 Prozent von Personengesellschaftsanteilen, die dem Verkäufer eine Verkaufsoption nach 5 Jahren eingeräumt haben. Läuft die 5-Jahresfrist erst nach der Gesetzesänderung ab, so löst dies unter der verlängerten Haltefrist Grunderwerbsteuer aus, die wirtschaftlich den Käufer treffen wird. Hier werden Verkäufer ggf. mit den Käufern über eine Verlängerung der Optionszeiträume verhandeln müssen.
Änderung des Gesellschafterbestandes bei Kapitalgesellschaften
Die Länderfinanzminister haben vorgeschlagen, dass die derzeitige Regelung über die Änderung des Gesellschafterbestandes einer Personengesellschaft auch für Kapitalgesellschaften eingeführt wird. Dies dürfte auch in der Systematik des Grunderwerbsteuerrechts eine einschneidende Änderung darstellen. Nach dieser Änderung wird es vor allem nicht mehr möglich sein, dass zwei unabhängige Erwerber Anteile an grundbesitzenden Kapitalgesellschaften erwerben. Künftig bedarf es also stets des Verkäufers, der mindestens 10,1 Prozent der Anteile für mindestens 10 Jahre zurückbehalten muss, damit keine Grunderwerbsteuer anfällt. Dies macht solche Gestaltungen deutlich unattraktiver.
Bislang unterscheidet das Grunderwerbsteuerrecht allerdings feinsinnig zwischen der Besteuerung von Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften. So ist die Anteilsvereinigung als Fiktion geregelt, wonach die Vereinigung als eine Übertragung des Grundstücks von der grundbesitzenden Gesellschaft auf den Gesellschafter fingiert wird, bei dem sich die Anteile vereinigen. Konsequenterweise ist es der Gesellschafter, bei dem die Grunderwerbsteuer anfällt. Anders ist es bei Personengesellschaften, dort regelt das Gesetz die Fiktion, dass ein Grundstück auf eine neue Personengesellschaft übergeht, wenn sich der Gesellschafterbestand der Personengesellschaft zu mindestens 95 Prozent (künftig 90 Prozent) geändert hat. Konsequenterweise fällt die Grunderwerbsteuer daher auch auf Ebene der Personengesellschaft an.
Wenn nun ein neuer Tatbestand eingefügt wird, der die Änderung von mindestens 90 Prozent des Gesellschafterbestandes bei Kapitalgesellschaften innerhalb von 10 Jahren erfasst, so stellt sich die systematische Frage, ob das Bundesfinanzministerium in seinem Gesetzentwurf die Unterscheidung zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften im Grunderwerbsteuerrecht ganz abschaffen wird. Dies wäre jedenfalls konsequent, wenn man den Ansatz zu Ende denkt. Dann sollte das Bundesfinanzministerium jedoch auch so konsequent sein und die Ausnahmen von der Besteuerung, die derzeit nur für Personengesellschaften gelten, auch auf Kapitalgesellschaften anwenden. Diese Konsequenz erwähnt der Vorschlag der Länderfinanzminister nicht. Insofern kann es sein, dass eine solche logische Konsequenz nicht gezogen wird. Im schlimmsten Fall stellt dann die Erweiterung der Grunderwerbsteuer-Tatbestände von Personengesellschaften auf Kapitalgesellschaften einen unsystematischen Fremdkörper dar, der künftige Strukturierungen noch anspruchsvoller macht und die Entscheidungen des Bundesfinanzhofs noch unvorhersehbarer.